»Ein Sechstel der Erde: Über die Beziehung des Bildes zur Welt« präsentiert Kunst der letzten 15 Jahre aus Ländern, die Teil der ehemaligen Sowjetunion waren oder zum Ostblock gehörten. Das Hauptinteresse dieser Ausstellung gilt dem von vielen zeitgenössischen KünstlerInnen bevorzugten Medium der bewegten Bilder. Es nutzt dabei dessen weit gespannten ›ökologischen‹ Rahmen, um ein breites Spektrum von Arbeiten aus vielen unterschiedlichen Ländern und Kulturen zu präsentieren und zu kontextualisieren.
»Ein Sechstel der Erde« versteht Ökologie im Sinne des französischen Psychoanalytikers Félix Guattari. Er wies in seinem Essay »Die Drei Ökologien« (1989) darauf hin, dass die ökologischen Dilemmata, vor denen die Welt gegenwärtig steht, nur angegangen werden können, wenn menschliche, gesellschaftliche und umweltbezogene Ökologien als eine Gesamtheit begriffen werden. Guattari sah in der Kunst einen Weg, diese drei Ebenen miteinander zu verbinden: KünstlerInnen können die ersten sein, die einer neuen Synthese den Weg weisen, und so dabei behilflich sein, aus der Erfahrung der Kunst zu lernen, unser Leben ausgeglichener und in sozialer und ökologischer Hinsicht weniger zerstörerisch zu gestalten.
Das sind kühne Worte, aber angebracht gegenüber jenen Ländern, die nach 1989 aus dem Ostblock und der Sowjetunion hervorgingen. Die utopischen Ambitionen des einstigen Sozialismus erloschen in der dystopischen Erfahrung des Überlebenskampfs in den sich neu formierenden, ökonomisch und ökologisch schwer angeschlagenen Gesellschaften. Diese Ausstellung verfolgt das Ziel, aufregende künstlerische Positionen aus dieser Zeit zu präsentieren und gleichzeitig jenen gegenüberzustellen, die bisher sehr viel weniger Aufmerksamkeit gefunden haben.
Diese Ausstellung umfasst eine Reihe widerstreitender und gelegentlich gegensätzlicher Themen. Diese ergeben sich nicht nur aus den Laufbahnen der einzelnen KünstlerInnen, sondern haben auch mit den unterschiedlichen geschichtlichen Erfahrungen ihrer jeweiligen Herkunftsländer zu tun bzw. mit dem Ort ihrer gegenwärtigen künstlerischen Tätigkeit. Einer dieser Aspekte ist das kulturelle Nomadentum − heute können KünstlerInnen reisen und sich den für ihre künstlerische Ausbildung und Tätigkeit am ehesten geeigneten Ort aussuchen. Weiter ist das Entstehen bedeutender lokaler Kunstszenen (oft aufbauend auf in kommunistischer Zeit entstandenen Netzwerken) zu nennen, wodurch sich KünstlerInnen unter Umständen vor die schwierige Wahl gestellt sehen, die Karriere zu Hause oder im Ausland voranzutreiben. Auch das Aufkommen neuer Nationalismen (mit den Begleiterscheinungen Xenophobie und Rassismus, von denen viele Länder in der Region betroffen sind) sowie sexuelle Identität und Gender-Identität − Themen, die in manchen Fällen mit der progressiven Kulturpolitik einer früheren, kommunistischen, Generation verknüpft sind − sind von Belang.
»Ein Sechstel der Erde« (1926) ist auch der Titel eines Films von Dsiga Wertow, dem experimentellsten Vertreter des Dokumentarfilms in der ehemaligen Sowjetunion. Dieser wurde mit der Absicht gedreht, eine utopische Vision des multikulturellen Potenzials der sowjetischen Vielvölkergesellschaft zu präsentieren. Die Ausstellung nimmt symbolisch Bezug auf diesen Film als Verweis auf das Potenzial der Bestrebungen von KünstlerInnen und AusstellungsmacherInnen aus dieser wichtigen Weltregion. Das bewegte Bild war die bedeutendste Kunstform der kommunistischen Ära. Es hat sich auch als bedeutende Waffe der künstlerischen Kritik erwiesen.