Jahrzehntelang umgab die Villa Flora der Zauber des Unzugänglichen, des Geheimnisvollen. Der Besuch der legendären Sammlung Hahnloser war ein Privileg, das nur Freunden der Familie, Künstlern und Kunsthistorikern eingeräumt wurde. Seit 1995 sind die Bilderschätze der Öffentlichkeit in Wechselausstellungen zugänglich. Tausende von Besuchern erfreuen sich seit–her der Faszination der «Flora».
Es ist ein Glücksfall, dass die grossartige sammlerische Leistung des Ehepaars Hahnloser von einem breiten Publikum in ihrer einmaligen Ausstrahlung wahrgenommen werden kann. In der Villa Flora, dem ehemaligen Wohnsitz des Ehepaars, erleben die Besucher die besondere geistige Atmosphäre, aus der heraus das Engagement für die Kunst entstanden ist. Die privaten Räume bringen in beeindruckender Weise die Intimität der kleineren und mittleren Bildformate und deren Farben zur Geltung.
Das Ehepaar Hedy und Arthur Hahnloser-Bühler hat zwischen 1907 und 1930 eine Sammlung mit Schweizer und französischer Kunst von aussergewöhnlicher Qualität aufgebaut. Ihre Stärke liegt in der Konzentration auf einen ausgewählten Kreis von Malern und Bildhauern, die zu den bedeutendsten Künstlern der Zeit um die Wende zum 20. Jahrhundert zählen. Schwerpunkt bildet der Nachimpressionismus, insbesondere Künstler, die sich in ihrer Frühzeit «Nabis» nannten, und Maler, die zu der Gruppe der «Fauves» gehörten.
Die «Nabis», zu denen Pierre Bonnard, Maurice Denis, Kerr-Xavier Roussel, Félix Vallotton und Edouard Vuillard zählen, verstanden sich als Propheten einer neuen Malerei. Ihr gemeinsames Ziel war die Erneuerung der Kunst in Reaktion auf die an den Akademien gelehrte Imitation der Natur mit illusionistischen Mitteln. Die «Nabis»-Künstler liessen den Bildgegenstand in seiner Bedeutung hinter den rein bildnerischen Mitteln zurücktreten. Mit Linien, Flächen und Farben brachten sie die Wesenszüge der Dinge und ihre eigenen Emotionen zum Ausdruck.
Die 1905 an die Öffentlichkeit getretene Künstlergruppe der «Fauves», mit unter anderen Matisse, Marquet, Rouault und Manguin, liessen ihre Werke von der reinen, sinnlich leuchtenden Farbe leben, die in ihrer Flächenordnung den Ausdruck des Bildes bestimmt. Das Motiv interessierte die Künstler nicht so sehr in seiner Gegenständlichkeit, sondern mehr als Auslöser eines «choc», durch den die Inspiration zur Bildidee geweckt wurde.
Hedy und Arthur Hahnloser betteten die Werke dieser Künstler in das Umfeld der vorhergehenden Generation ein. Das Ehepaar war sich bewusst, dass sich die «Nabis» und die «Fauves» reiche Anregungen bei Gauguin, Cézanne und van Gogh geholt hatten, die als «Väter der Moderne» gelten. Besonders breiten Raum gewährten sie darüber hinaus Odilon Redon, den die «Nabis» als grosses Vorbild verehrten.
Von folgenden Künstlern besitzt die Sammlung Hahnloser Winterthur bedeutende Werke: Pierre Bonnard (1867-1947), Paul Cézanne (1839-1906), Giovanni Giacometti (1868-1933), Vincent van Gogh (1853-1890), Ferdinand Hodler (1853-1918), Aristide Maillol (1861-1944), Henri Manguin (1874-1949), Albert Marquet (1875-1947), Henri Matisse (1869-1954), Odilon Redon (1840- 1916), Pierre Auguste Renoir (1841-1919), Auguste Rodin (1840- 1917), Georges Rouault (1871-1958), Kerr-Xavier Roussel (1867- 1944), Henri de Toulouse-Lautrec (1864-1901), Félix Vallotton (1865-1925) und Edouard Vuillard (1868-1940).
Bei den in der Villa Flora ausgestellten Werken handelt es sich um Leihgaben der Hahnloser/Jäggli Stiftung sowie von Nachkommen von Hedy und Arthur Hahnloser-Bühler.
Hedy Hahnloser-Bühler (1873-1952), Tochter des Textilfabrikanten Karl Bühler-Blumer, heiratete 1898 den Augenarzt Arthur Hahnloser (1870-1936). Hedy Hahnloser fühlte sich zur französischen Kunst hingezogen. Von ihrem Ehemann tatkräftig unterstützt, förderte sie die damals noch wenig bekannten Vertreter des Nachimpressionismus und baute von 1907 bis 1930 die Sammlung Hahnloser auf.
1846 erbaut, gelangte die Villa 1858 in den Besitz des Grossvaters von Hedy Hahnloser-Bühler. Als junges Paar bezogen Hahnlosers die Villa Flora, wo auch Arthur seine Augenpraxis führte. Das repräsentative Gebäude wurde zwischen 1862 und 1927 mehrmals erweitert und umgebaut. Ein Glanzstück ist der 1908 von den Winterthurer Museumsarchitekten Rittmeyer und Furrer eingebaute Salon im Sezessionsstil. 1995 wurde die vorgängig behutsam renovierte Villa Flora - im Zuge des Umbaus in ein Museum - mit einer Eingangshalle erweitert.
Die authentische Ambiance in der Villa Flora ist einmalig. Ein Gesamtkunstwerk. Sammlung, Architektur, Interieurs, unter anderem mit von Hedy Hahnloser entworfenen Textilien, und der Garten mit den Maillol-Skulpturen zeigen eindrücklich eine bürgerliche Wohnkultur um die Wende ins 20. Jahrhundert.