08.04.2011 - 01.05.2011
Branko Senjor war nach seinem Studium an der Münchner Fotoschule (1964-1966) ein häufiger Gast der Münchner Kunstakademie. Zunächst fotografierte er die Arbeiten der Studenten, porträtierte viele der Professoren und hielt Atelierszenen, Klassenpartys, Faschingsfeste sowie Sommerfeste fest.
1967 erlebte der junge Fotograf, der von der Atmosphäre an der Akademie fasziniert war, den Ausbruch der Studentenunruhen hautnah mit. Hintergrund der Studentenproteste an der Kunstakademie war der Umgang mit der NS-Vergangenheit der Akademie, der autokratische Führungsstil und das geringe Mitspracherecht der Studenten. Mit der Gründung der "Hochschulgruppe Sozialistischer Kunststudenten" schufen sich die jungen Künstler ein Organ, das sich die Erneuerung der Kunsthochschule zum Ziel setzte.
Das Attentat auf Rudi Dutschke sowie der bevorstehende Erlass der Notstandsgesetze führten auch in München zu heftigen Protesten. Die Akademie wurde zum sogenannten "Aktionszentrum" gegen die Notstandsgesetzgebung. Am 18. Mai 1968 veranstalteten die Studierenden ein "Notstands-Happening" auf der Wiese vor der Akademie. Der Protest an der Akademie war aber - trotz des Ernstes der Themen - von einer Art Dauer-Partystimmung gekennzeichnet.
Am 26. Juni 1968 begannen die Studierenden mit ersten Wandbemalungen im Foyer: Politparolen und kommentierte Zeichnungen, die sich namentlich gegen "rückschrittliche" Professoren richteten. Im Februar 1969 veranstalteten die Studenten eine aufwändige Pseudo-Immatrikulationsfeier mit Talaren und Weihrauch im Foyer der Akademie - eine Persiflage auf die sonst üblichen Feiern. Am Folgetag fand der "Tag des Zweirads" statt. In den Gängen der Akademie wurde ein Zweiradrennen der Studierenden als "kreative Darstellung künstlerischer Bewegung verbunden mit Akustik" durchgeführt.
Alle diese Ereignisse hielt Branko Senjor mit seiner Kamera fest. Seine Bilder bieten mehr als blicksichere Momentaufnahmen. Sie machen deutlich, wie innerhalb von wenigen Monaten die Machtverhältnisse aus den Fugen geraten. Die Bildserie aus den Jahren 1967 bis 1969 dokumentiert ein wesentliches Kapitel Münchner Kultur- und Hochschulgeschichte, das paradigmatisch für eine gesellschaftlich virulente Zeit steht, die nachfolgende Generationen entscheidend prägen sollte.
Als Branko Senjor seine Fotografien im Münchner Kunstverein 1970 in einer Ausstellung zeigte, wurden einige Motive von Besuchern übermalt bzw. -zeichnet in Reaktion auf die damaligen (kultur)politischen Auseinandersetzungen. Das Münchner Stadtmuseum / Sammlung Fotografie erhielt diese Serie 1994 als Schenkung.