Zweifellos reizt eine Zeichnung dazu, in ihr den ersten schöpferischen Funken eines Künstlers, die „prima idea“, aufscheinen zu sehen. Es sind diese Gedankenblitze, warum man die Zeichenkunst nicht selten als geistreich, direkt oder emotionsgeladen charakterisiert. Denn es ist ihr Privileg, von flüchtigen Einfällen über konkrete Vorstellungen bis zu fantastischen Visionen jede künstlerische Caprice auf einem Blatt Papier unmittelbar festhalten zu können.
Historisch betrachtet fand die hohe Wertschätzung der Zeichnung ihren Ausdruck in der Wortschöpfung des „Disegno“. Mit ihr verband sich ausgehend von der italienischen Renaissance die Theorie eines geistig-schöpferischen Konzepts, dem Bild im Kopf des Künstlers, mit der Vorstellung von der Meisterschaft der gestalterischen Hand, welche fortan im akademischen Diskurs den Vorrang der Zeichenkunst innerhalb der Bildenden Künste auf den Punkt brachten.
Die Ausstellung „DISEGNO. Zeichenkunst für das 21. Jahrhundert“ belebt diese Idee neu. Diskursiv wird die Relevanz der Zeichnung als Impulsgeber für die Gegenwartskunst vorstellt. Herausragende Positionen der jüngeren Moderne, die es bis heute zu entdecken gilt, präsentieren sich neben zeitgenössischen Werken einzelner Künstlerinnen und Künstler, die exklusiv für die Ausstellung entstehen. Die Zusammenschau von radikalen zeichnerischen Konzepten und den daraus resultierenden Kunstwerken eröffnet dem Besucher einen Einblick in den aktuellen Dialog der Zeichnung mit den anderen Künsten. Neu zu sehen sein wird, dass dieser Austausch längst in die Bereiche der Außereuropäischen Kunst, des Films, der Fotografie, der Literatur, der Philosophie, des Tanzes und nicht zuletzt der Werbegrafik ausgreift.