23.04.2009 - 07.06.2009
Dieser so spannenden, weil unmittelbaren und dennoch zumeist verborgenen, Wirkungsgeschichte gilt es nachzuforschen. Die Ausstellung ist dafür in zwei Teile gegliedert: In der Ausstellungshalle werden Arbeiten von Linder, Lawrence Weiner, Benoit Hennebert und anderen gezeigt, die zur aktiven Zeit des Labels entstanden, sowie Arbeiten junger internationalen Künstler, welche sich in ihrer aktuellen Perspektive mit dem Label beschäftigen. Im Seminarraum im dritten Geschoss werden dem Besucher zur tätigen Vertiefung weitere historische Dokumente, Archivmaterialien, Fotos, Videos und Musik angeboten.
Nora Schultz hat für den Ausstellungsraum eine Installation geschaffen, die grundlegende skulpturale Fragen aufgreift. Zu sehen sind mehrere an der Wand montierte oder mit einem Seil abgehängte, verchromte Rohre, die gleich einem Mobile sich mal in perfekter Balance befinden und an Waagen erinnern und mal ihr Gleichgewicht verloren haben und mit ihrer eigenen Haltung kämpfen.
Die fragilen Skulpturen werden im hinteren Bereich des Raums um zwei Diaprojektionen erweitert. Die erste Diaserie hält dreidimensionale Objekte mittels der zweidimensionalen Photographie aus unterschiedlichsten Winkeln fest. In der Bildfolge werden sie damit aber letztlich dynamisiert und in Bewegung gesetzt. Im letzten Raum empfängt den Besucher eine weitere Diaprojektion mit gefundenen und persönlichen Bildern von Reisen.
Die abstrakten Andeutungen eines (Un-)Gleichgewichts von Massen und Werten werden hier in weitgreifende kulturelle und politische Bilder übersetzt. Dabei stellt Schultz assoziative Bezüge zum französischen Schriftsteller und Ethnologen Michel Leiris her, der in seinen Reisebüchern und Essays eine schonungslose Selbstanalyse und einen offenen, unmittelbaren Eindruck seiner Erlebnisse fremder Kulturen schildert. In seinem Tagebuch L'Afrique Fantôme beschreibt er afrikanische Rituale, in denen Stammeskulturen nicht nur ihre eigene Geschichte reflektieren. In ihren Ritualen kommentieren und parodieren sie auch europäische Kulturen und zeigen, dass es nie nur den einen herrschenden Blick auf einen Gegenstand gibt, sondern dass dieser Blick durchaus zurückgeworfen wird.