07.09.2007 - 04.11.2007
Die Installation "Die Suche nach dem Panorama: Wünsdorf - Moskau - Berlin" setzt sich auf künstlerische Weise mit einem Aspekt deutsch-russischer Geschichte der letzten 60 Jahre auseinander. Ausgehend vom Standort des Oberkommandos der sowjetischen Streitkräfte in der DDR in Wünsdorf sowie der heute verlassenen Kasernen betreibt das Projekt Spurensuche und stellt eine Verbindung zur Gegenwart her. Im Mittelpunkt steht die Geschichte des ehemals in Wünsdorf ausgestellten Dioramas "Die Schlacht um den Reichstag".
Wie kaum ein anderer Ort ist das Deutsch-Russische Museum geeignet, diese Installation zu präsentieren, bestehen doch vielfältige Verbindungen des Hauses zum Thema.
Der Ort: Das Museum befindet sich an einem historischen Ort der deutsch-russischen Geschichte. Am 8. Mai 1945 endete hier der Zweite Weltkrieg in Europa nach der Eroberung Berlins durch sowjetische Truppen. Die Sowjetische Militäradministration nahm hier ihren Sitz. 1967 wurde im Gebäude das "Kapitulationsmuseum" eingerichtet, ein Museum der sowjetischen Truppen in der DDR, die ihr Hauptquartier in Wünsdorf hatten. Das Gelände war zeitweise wie Wünsdorf militärisches Sperrgebiet. Das heutige Museum ist das Ergebnis einer deutsch-russischen Initiative nach der Entscheidung über den Abzug der Truppen.
Das Panorama/Diorama: Diese Kunstform des Rundbildes von 360 bzw. 180 Grad ist gerade in Russland sehr verbreitet und findet sich in zahlreichen Museen. Das Deutsch-Russische Museum zeigt selbst ein Diorama in seiner ständigen Ausstellung.
Das Thema: Das Wünsdorfer Diorama zeigt die "Schlacht um den Reichstag". Als letzter Akt des deutsch-sowjetischen Krieges gehört diese Schlacht zu den Kernthemen in der Dauerausstellung des Museums.
Der Kontext: Das Projekt greift einen Teil der gemeinsamen deutsch-russischen Geschichte auf, die heute noch nachwirkt und von großer Aktualität ist, nämlich die Nutzung der verlassenen Kasernen. Das Museum liegt inmitten eines solchen Kasernengeländes.
Der biographische Bezug: Das Panorama wird heute in der Stadt Shukow, dem Geburtsort von Marschall Shukow, gezeigt. Shukow residierte als Chef der Sowjetischen Militäradministration im heutigen Museumsgebäude, sein Arbeitszimmer ist als historischer Raum erhalten.
Das Interesse des Museums: Das Museum ist bestrebt, Raum für aktuelle Bezüge zur deutsch-russischen Geschichte in einem historischen Kontext zu bieten, um damit insbesondere die junge Generation anzusprechen. Diesem Ziel entspricht das Projekt der beiden jungen deutschen Künstlerinnen, die sich auf Spurensuche der deutsch-russischen Geschichte begeben.
Ort der Installation ist der Wintergarten des Museums. Dieser stellt Bezüge zu Wünsdorf und der Stadt Shukow her: Das Panorama wurde in Wünsdorf ebenso in einer angebauten Rotunde präsentiert wie dies heute der Fall in Shukow ist. Noch ein weiterer Aspekt macht den Wintergarten zu einem geeigneten Ort. Die Kunstform des Panoramas ist für die Künstlerinnen unter dem Aspekt der Grenzen der Illusion, der "Erweiterung des Horizonts", von Interesse. Dem entspricht der offene Raum mit den großen Fenstern. Es stellt sich die Frage: Was ist draußen, jenseits des Saals, in welchem Zusammenhang steht das Panorama? Um diesen Raumbezug zu ermöglichen, werden die Fenster nicht abgedunkelt. Es soll kein neuer panoramaartiger Illusionsraum geschaffen werden, wohl aber ein Durchblick nach draußen, eine durchscheinende Projektion, entsprechend der griechischen Bedeutung des Wortes Panorama ( Bild, das man durch und durch sehen kann.)
Zudem stehen die Türen zu dem dahinter liegenden Kapitulationssaal offen, die beiden Räume sind also verbunden. Im Kapitulationssaal, dem Ort, an dem der Krieg endete, dessen letzte Schlacht das Panorama zeigt, ist leise der Klang des Panoramafilms zu hören. Vom Wintergarten aus eröffnet sich die Geschichte des Hauses in den Saal hinein.
Das Projekt stellt den Umgang mit einem Teil der Kriegsgeschichte und ihrer Erinnerung zur Diskussion. Es thematisiert Brüche und fragt, im wahrsten Sinne des Wortes, nach unterschiedlichen Perspektiven auf die Geschichte. Indem es künstlerisch die Form der aufnimmt und im Medium des Films entfaltet, stellen die Künstlerinnen Fragen an die deutsch-russische Geschichte.
Auf diese Weise nimmt das Projekt aktiv den Dialog auf und spürt einem bis heute aktuellen Teil der deutsch-russischen Geschichte nach. Dieser Abschnitt der Geschichte ist noch immer sichtbar: Die Region ist kulturgeschichtlich durch die lange Anwesenheit der sowjetischen Truppen als auch durch ihre Abwesenheit geprägt. Auf unterschiedliche Art davon betroffen sind zwei Generationen. Zwischen ihnen schlägt das Projekt eine Brücke, indem sich die junge auf die Spurensuche nach den Erfahrungen der älteren Generation macht