"Alles ist Kunst – alles ist Politik", so Ai Weiwei (* 1957), der zu den international bekanntesten Künstlern der Gegenwart zählt. Als Konzeptkünstler, Dokumentarist und Aktivist setzt er sich nicht nur kritisch mit Geschichte, Kultur und Politik seiner Heimat China auseinander, sondern reagiert auch auf gesellschaftliche Realitäten wie aktuell die Fluchtbewegung zwischen Ländern und Kontinenten. Bis 20. November 2016 präsentiert das 21er Haus seine erste große Einzelpräsentation in Österreich.
Im Zentrum von translocation – transformation stehen die Veränderungsprozesse, die durch Ortswechsel, Vertreibung und Migration ausgelöst werden, ob nun bei Menschen oder an Objekten. Das Thema der Transformation zieht sich wie ein roter Faden durch Leben und Werk Ai Weiweis: von seiner Kindheit, den Anfängen in New York über seine Rückkehr nach China, die Zeit unter Hausarrest bis zu seiner Entlassung aus der Staatshaft und zur Migration nach Berlin.
Das Hauptwerk inmitten der großen Ausstellungshalle im 21er Haus bildet die Installation Wang Family Ancestral Hall. Sie zeigt eine Ahnenhalle aus der Zeit der späten Ming-Dynastie, deren Haupthalle originalgetreu wiederaufgebaut wurde. Die 14 Meter hohe Konstruktion aus Holz, die aus über 1.300 Einzelteilen besteht, ist zum ersten Mal außerhalb Chinas zu sehen. Das Ahnenhaus gehörte einst der Familie Wang, bedeutenden Teehändlern aus der südlichen Provinz Jiangxi. Während der Chinesischen Kulturrevolution wurde die Familie vertrieben, und die Ahnenhalle verfiel. Ai Weiwei kaufte das Gebäude von einem Investor und übertrug es in den Kunstkontext. Seiner ursprünglichen Funktion enthoben erhält es nun durch den Prozess der Translozierung eine neue Bedeutung. Ausschlaggebend für die Auswahl dieser Arbeit war die Parallele zur Geschichte des 21er Haus. Der für die Weltausstellung 1958 in Brüssel konstruierte Länderpavillon sollte zunächst verschrottet werden, wurde dann jedoch nach Wien verlegt und als Museum für zeitgenössische Kunst adaptiert. Zwei weitere Arbeiten im 21er beziehen sich auch auf die Teekultur in China und damit auf die ursprünglichen Besitzer der Ahnenhalle: Teahouse mit zwei Häusern aus gepresstem Pu-Erh-Tee auf einem Feld loser Teeblätter sowie Spouts. Diese Installation setzt sich aus tausenden abgebrochenen Schnäbeln von antiken Teekannen zusammen, die auf dem Boden wie ein Teppich ausgebreitet sind.
Im Park des Oberen Belvedere greift Ai Weiwei das aktuelle Flüchtlingsthema mit F Lotus auf, einer Installation aus 1.005 gebrauchten Schwimmwesten. Angeordnet wie ein kalligrafisches F schwimmen die 201 Ringe aus jeweils fünf Westen wie Lotusblüten auf dem Wasser des barocken Bassins. Umsäumt wird diese ortsspezifische Arbeit von Circle of Animals/Zodiac Heads mit Bronzeköpfen der zwölf Tiere aus dem chinesischen Horoskop. Im Treppenhaus des Oberen Belvedere lässt Ai Weiwei drei Kreaturen wie Drachen steigen. Die Figuren aus Bambus und Seide stellen Fabelwesen aus dem Shanhaijing ("Klassiker der Berge und Meere") dar, der ältesten überlieferten Sammlung chinesischer Mythologie.