16.05.2009 - 26.07.2009
Am 15. Mai eröffnet die erste Ausstellung des Westfälischen Kunstvereins außerhalb seines ehemaligen Ausstellungsraums im Landesmuseum. Nach dem Abriss des Museumsanbaus aus den 1970er Jahren werden bis zur Fertigstellung des Neubaus (Ende 2012) wechselnde Ausstellungsorte in Münster für das Programm des Kunstvereins dienen.
So steht für die erste „auswärtige“ Ausstellung des Kunstvereins eine alte Villa von 1909 zur Verfügung. Die niederländische Künstlerin Peggy Franck (*1978) wird hier unter dem Titel „In Rocking Motion“ neue Installationen entwickeln und bestehende Arbeiten in den eigenwilligen Räumen des Hauses neu installieren. Francks Installationen, Fotografien und Skulpturen greifen dabei formal den dekorativen Gestaltungswillen der Innenausstattung der Räume auf, widersetzen sich diesem aber gleichzeitig durch die Wahl ihrer Medien und Materialien. Fülle und Opulenz übertragen sich in ihren Arbeiten auf einfache und billige Materialien, die sie im Raum zu komplexen Strukturen arrangiert. So entstehen räumliche Materialcollagen, die Franck wiederum durch die Fotografie in die Zweidimensionalität überführt.
Die Villa selber bildet einen extremen Kontrast zum ehemaligen Ausstellungsraum des Kunstvereins mit seiner klaren modernistischen Architektur. Im Gegensatz dazu wurde die Villa am Kaiser-Wilhelm-Ring vom Architekten und Dombaumeister Wilhelm Sunder-Plassmann zu Beginn des 20. Jahrhunderts im barocken Baustil mit Einflüssen des Jugendstils errichtet. Heute steht die großteils im Originalzustand erhaltene Villa unter Denkmalschutz und wirkt wie in einem Dornröschenschlaf gefangen. Mit der Entscheidung, hier eine Ausstellung zu realisieren, wechselt der Westfälische Kunstverein bewusst von einer klassischen neutralen White-Cube-Situation zu einem Raum, der geprägt ist von einem historischen Eklektizismus. Peggy Franck schafft mit ihren Werken in der prägnanten Kulisse der Villa einen sinnstiftenden Kontrast, der sich mit seiner ästhetischen Formsprache bewusst von den historischen Referenzen des Raums abhebt, ohne diese zu ignorieren. Vielmehr scheint sich die Ausstellung selbst in dem verlassenen Charme der herrschaftlichen Räume zu spiegeln. Stoffreste, Folien, Klebebänder und andere einfache Gebrauchsmaterialien des Alltags hat Peggy Franck mit Akribie arrangiert. Trotz ihrer flüchtigen Substanz und auf den ersten Blick chaotischen Anordnung im Raum, lassen sich ausgeklügelte Bildkompositionen erkennen, die wie eine Mischung aus barock anmutendem Stillleben und abstrakt-moderner Malerei gelesen werden können.
Aber Francks Arbeit behandelt nicht nur die Ästhetik der Form und des Materials. Sie kreist ebenso um Themen der Partizipation und Produktion. Wie eine weitere Schicht ihrer Arbeit ist die Künstlerin selber mit dieser durch ihre Performance verbunden; sie ist Vorbild und Abbild ihrer selbst zugleich: Rollen der Maskerade – Verhüllung und gleichzeitige Selbstdarstellung – folgen einer klaren, wenn auch im Oeuvre nur unterschwellig aufleuchtenden Gender-Thematik. FranckÂ’s Arbeiten reihen sich dabei in eine in der Geschichte der Kunst lang tradierte Ausdrucksform ein und bedienen sich doch immer einer zeitgemäßen und eigenen visuellen Sprache, um die Frage nach dem Ort der Kunstproduktion, der Autorin und dem Betrachter aufs neue zu thematisieren.