Im Mai 1945 glich Berlin einem Trümmerfeld. Meterhoch lagen Trümmer und Schutt in den Straßen. 770 000 Wohnungen waren zerstört oder unbewohnbar geworden. Die unvorstellbare Menge von etwa 75 Mio. Kubikmetern Trümmerschutt kann man heute nur noch erahnen, wenn man sich auf einen der vierzehn Berliner Trümmerberge begibt. Hierher wurden von 1945 bis 1958 über Trümmerbahnen die enormen Mengen an all dem, was zerstört und nicht wieder zu verwerten war, transportiert. Bereits früh begann man mit der Planung und Gestaltung dieser neuen "Topografien" als städtische Parkanlagen, und so wuchsen hier Bäume, Sträucher und Gras nicht nur auf der obersten Schicht der Trümmer, sondern auch sprichwörtlich über den Zweiten Weltkrieg. Die Berge wurden stumme Zeitzeugen, Mahnmale und Hoffnungsträger zugleich. Eine der gehegten Hoffnungen: die schrecklichen Erinnerungen und die Schuld mit zu begraben.
Heute, fast 70 Jahre nach dem Krieg sind die künstlichen Areale zu Parks mit einer reichhaltigen Flora und Fauna geworden, die der Erholung oder als Aussichtspunkte auf die Stadt dienen. Durch Erosion und entwurzelte Bäume werden jedoch im Laufe der Zeit Relikte der Vergangenheit immer wieder ans Tageslicht gebracht. Auf diese Weise kehrt das Vergangene in die Gegenwart zurück. Sonya Schönberger und Christof Zwiener dokumentieren in ihrer Arbeit mit dem Titel "641 objects without qualities" das, was sie bei ihrer Spurensuche an den Hanglagen der Trümmerberge in Berlin entdeckten. Die beträchtliche Anzahl der Fragmente von Alltagsgegenständen aus Keramik und Porzellan, die die Künstler an der Oberfläche sammelten, zeugen einerseits von einem vielfältigen Leben, andererseits von der Zerstörung und den damit verbundenen großen Verlusten. Jedes dieser Fragmente ist neben einer gewöhnlichen Scherbe auch Träger einer Geschichte.
Die Künstler verfolgen mit ihrer Spurensuche keinen spezifisch archäologischen Ansatz. Im engen Zusammenhang mit ihren anderen Arbeiten beziehen sie sich auf das schwer zu Fassende in einer Katastrophengeschichte und das ungeplante Wiederauftauchen von Erinnerungsfragmenten.
Die dingliche Repräsentanz von Erinnerung ist die zentrale Verbindung zum Museum der Dinge, das einen eigenen experimentellen Sammlungsbereich unter dem Titel „Dinge nach Katastrophen“ mit der Scherben-Sammlung von Schönberger und Zwiener in Beziehung setzt.
In der gemeinsam von den beiden Künstlern und dem Museum entwickelten Installation wird ihre Sammlung der zerbrochenen Dinge erstmalig gezeigt. Durch die spezielle Präsentation der Scherben wird ihre Vergangenheit und Einzigartigkeit hervorgehoben, sowie auf den Fundort, die Trümmerberge, verwiesen.
Sonya Schönberger (*1975) begab sich für ihr Langzeitprojekt "nix zu reißen und zu beißen" auf eine höchst intime Spurensuche. Für die Recherchearbeit mit deutschen Zeitzeugen des Zweiten Weltkriegs in Deutschland und in den USA führte sie über 60 Gespräche im privaten Rahmen. Sonya Schönberger möchte die Auswirkungen der Traumata einer ganzen Nation auf die nachfolgenden Generationen untersuchen. Gerade in den persönlichen Gesprächen erfährt sie von einem spezifischen Charakter dieser Kriegsgeneration. Mit dieser Arbeit thematisiert sie die individuelle Erinnerungs- und Bewältigungskultur persönlicher sowie gesellschaftlicher Historie.
Christof Zwiener (*1972) hinterfragt in seinen Arbeiten die kollektiven und subjektiven Wahrnehmungen historischer Spuren im öffentlichen Raum. Seit 2011 recherchiert und dokumentiert er zur speziellen Thematik des DDR-Fahnenmasts in Ost-Berlin, welcher ein wichtiger Träger der allgegenwärtigen Staatssymbolik war. Ähnlich einer Stecknadel, die Orte auf einer Karte markiert, vermessen diese letzten Relikte der DDR-Staatsmacht subtil den Raum. Mit der Fotoserie "Twenty Years Of Solitude" (2011-2013) dokumentierte Zwiener Fahnenmasten an 250 Orten in ganz Ost-Berlin, die seit dem Ende der DDR ungenutzt im öffentlichen Raum als stille Monumente verblieben sind. Mit seinem aktuellen Projekt ADN Pförtnerhaus setzt er einem weiteren Überbleibsel, dem DDR Pförtnerhaus, ein Denkmal.