27.01.2012 - 10.06.2012
Die Chinesische Kulturrevolution (1966-1976) ist zunächst als historisch-spezifisches Phänomen zu sehen, das in den letzten zehn Lebensjahren Mao Zedongs verortet ist und unmittelbar vor der internationalen Öffnung und dem Wirtschaftsaufschwung Chinas steht. Gleichzeitig blieb sie als Versuch einer Mobilisierung des Volkes gegen verkrustete Parteistrukturen und der damit verbundenen Nutzung des persönlichen Ansehens Maos in Form eines exzessiven Personenkults nicht ohne Auswirkungen auf andere Weltregionen. Gekennzeichnet durch Massenkampagnen und dem Streben nach einer egalitären Gesellschaft einerseits sowie politischen Verfolgungen und Zerstörungswut andererseits, hat die Kulturrevolution zahlreiche Menschen fasziniert und in Schrecken versetzt. Die Ereignisse dieser Periode sind heute Gegenstand kontroverser Diskurse und Debatten, in China und auch in westlichen Ländern, in denen politische Bewegungen der 1960er und 70er Jahre, die vom maoistischen Gedankengut beeinflusst wurden, nachwirken. Rezeption und Bewertung der Kulturrevolution sind dabei zwangsläufig unterschiedlich.
Als eine der ersten Ausstellungen zu diesem Thema überhaupt, setzt sich Die Kultur der Kulturrevolution. Personenkult und Politisches Design im China von Mao Zedong mit diesem prägenden Kapitel der neueren Geschichte Chinas auseinander. Durch die Einbindung in den zeithistorischen Kontext offenbaren sich Alltagsgegenstände, die dem westlichen Auge zunächst als "verklärender Kitsch" erscheinen - Mao-Plaketten in Gestalt fluoreszierender roter Herzen, Weckuhren mit Rotgardisten/innen, die Mao-Bibeln schwenken, Keksdosen mit Szenen aus Bühnenstücken, lieblich dekorierte Vasen und Teller mit Mao-Sprüchen - als bewusst von den und für die Massen erschaffene Informations- und Werbeträger. Die zahlreichen Objekte werden ergänzt durch historische Fotos und dokumentarische Kurzfilme.
Der in der Kulturrevolution überbordende revolutionäre Eifer schwappte auch nach Europa über und fand vor allem in den antiautoritären Studentenrevolten seinen Widerhall. Kommunistische Gruppierungen blickten fasziniert nach China, das sich als Zentrum einer globalen revolutionären Bewegung verstand, und liessen sich von der verklärenden Propaganda in den Bann ziehen. Ein für die Zürcher Ausstellung speziell konzipierter Sektor reflektiert anhand weniger ausgewählter Objekte und Dokumente die Aktivitäten und Themen der "linken" Bewegung in der Schweiz, speziell in Zürich.
Mit dem Aufkommen einer revolutionären Erinnerungskultur in China seit 1993, dem 100. Geburtstag von Mao Zedong, haben zahlreiche Objekte und Symbole der damaligen Zeit eine Revitalisierung und Kommerzialisierung erfahren, sei es als Souvenirs im Rahmen einer "roten" Nostalgie oder als Mittel einer kritischen Reflexion in der zeitgenössischen chinesischen Avant-Garde-Kunst. Auf chinesischen Märkten erworbene Erinnerungsstücke einerseits sowie eine kleine Gruppe Ölbilder aus der Sammlung Uli Sigg andererseits zeigen die Bandbreite dieser Entwicklung auf.
Die Themenstationen der Ausstellung vermitteln einen Eindruck von der räumlichen und zeitlichen Wirksamkeit der Kulturrevolution. Sie sollen eine Annäherung an diese vielschichtige Periode ermöglichen, gleichzeitig aber auch Menschen ansprechen, die sich nicht nur für China, sondern für kulturübergreifende Phänomene wie Personenkult, Massenbewegungen, politische Utopien, revolutionäre Propaganda und deren Auswirkungen und Ausprägungen im Alltag interessieren.