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Vitra Design-Museum

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Charles-Eames-Straße 1
79576 Weil am Rhein
Tel.: 07621 7023200
Homepage

Öffnungszeiten:

tägl.: 10.00-18.00 Uhr

Alvar Aalto: Second Nature

27.09.2014 - 01.03.2015

Der Architekturkritiker Sigfried Giedion nannte ihn den »Magus des Nordens«: Alvar Aalto (1898-1976) ist der bekannteste finnische Gestalter seiner Generation und einer der wichtigsten Vertreter einer »humanen« Moderne in der Architektur. Seine Gebäude, wie etwa das Paimio Sanatorium (1933) oder die Villa Mairea (1939), verkörpern ein meisterhaftes Zusammenspiel organischer Räume, Formen und Materialien. Aaltos Paimio-Stuhl (1931--1932) und sein Hocker Stool 60 (1933) sind Meilensteine in der Entwicklung moderner Möbel, seine Savoy Vase (1936) ist bis heute das Symbol finnischen Designs. Mit »Alvar Aalto – Second Nature« zeigt das Vitra Design Museum nun eine umfassende Retrospektive über den großen finnischen Architekten und enthüllt neue Aspekte seines Werks.
Aaltos Affinität zur organischen Form führt die Ausstellung auf einen engen Dialog mit bedeutenden Künstlern seiner Zeit zurück, darunter László Moholy-Nagy, Jean Arp, Alexander Calder oder Fernand Léger. Arbeiten dieser und anderer Künstler werden den Werken Aaltos gegenübergestellt und unterstreichen dessen Bedeutung als Schlüsselfigur der modernen Avantgarde. Aalto wird als Kosmopolit mit starkem Interesse an Kunst, Theater und Medien porträtiert, er selbst bezeichnete sich als »chef d’orchestre«, der alle Kunstformen zu einem harmonierenden, symphonischen Ganzen verband. Auf diese Weise entstanden Lebensräume von warmer, organischer Qualität, geprägt von einer eindrucksvollen Kombination aus Volumen und Baumaterialien, terrassierten Fußböden und Decken und einer Choreographie aus natürlichem und künstlichem Licht: eine Architektur, die Inspirationen aus Kunst und natürlichen Formen in eine »zweite Natur« für den modernen Menschen verwandelte.
Besonders eindrucksvoll erlebbar ist dieser Ansatz in Bauten wie der Bücherei in Vyborg (1927-1935), aber auch in Großprojekten wie etwa dem Kulturzentrum Wolfsburg (1958-1962). Von Türklinken über Lichtelemente bis zu Einbaumöbeln entwarf Aalto oftmals auch die kleinsten Details für die von ihm gestalteten Innenräume. 1935 gründete er, gemeinsam mit seiner Frau Aino und zwei weiteren Mitstreitern, die Firma Artek. Diese war sowohl als internationaler Möbelproduzent als auch als Galerie gedacht. Schnell entfaltete sie – in Aaltos eigenen Worten – »mundiale Aktivitäten« und wurde zu einer angesehenen Adresse der internationalen Avantgarde.
Der Erfolg von Artek zeugte von Aaltos weltweitem Netzwerk, das ihm Einfluss in sozialen und politischen Debatten verschaffte und in der Nachkriegszeit zu Aufträgen in Ländern wie Italien, Frankreich, der Schweiz, Deutschland und den USA führte. In dieser Zeit entstanden so unterschiedliche Projekte wie ein System des standardisierten und vorgefertigten Wohnungsbaus in Finnland oder ein Wohnblock im Berliner Hansaviertel anlässlich der Internationalen Bauausstellung »Interbau« 1957. Höhepunkt des Spätwerks wiederum waren Großprojekte wie die Finlandia Hall in Helsinki (1975), die nur ein Jahr vor seinem Tod vollendet wurde, und das Essener Opernhaus, welches posthum verwirklicht und 1988 eröffnet wurde.
Insgesamt schuf Aalto zwischen den 1920er und 1970er Jahren über 400 Gebäude sowie dutzende Möbel, Glasobjekte und Leuchten. Die Ausstellung »Alvar Aalto – Second Nature« gibt einen umfassenden Überblick über Aaltos Leben und seine wichtigsten Projekte, lenkt den Blick aber auch auf weniger bekannte Projekte wie das Experimental House in Muuratsalo (1952-1953), dessen außergewöhnliche Kombination verschiedenster Baumaterialien wie eine Architekturcollage des 21. Jahrhunderts anmutet. Unter den Exponaten sind historische Architekturmodelle, Originalzeichnungen, Möbel, Leuchten und Glasobjekte, aber auch Werke bekannter Künstler wie Alexander Calder, László Moholy-Nagy oder Jean Arp. Die aktuelle Perspektive der Ausstellung wird durch etliche Werke des Künstlers Armin Linke betont. Dieser hat eigens für die Ausstellung viele Bauten Aaltos fotografisch und filmisch neu dokumentiert. Die so entstandenen Werke ziehen sich durch die gesamte Ausstellung und stehen im Dialog mit historischem Material aus den Archiven des Alvar Aalto Museums und anderer internationaler Leihgeber.
Die vier Bereiche der Ausstellung »Alvar Aalto – Second Nature« betrachten verschiedene thematische Aspekte von Aaltos Leben und Werk. Sie folgen einer losen chronologischen Anordnung. Der erste Raum befasst sich mit Aaltos früher Schaffensperiode bis hin zu seinem legendären Entwurf des Sanatoriums in Paimio (1928-1933). Hier wird Aaltos Annäherung an die Moderne anschaulich nachvollzogen.
Der zweite Raum beleuchtet Aaltos Bezug zur Kunst und den Dialog mit wichtigen Künstlern seiner Zeit. Dies geschieht sowohl durch einzelne Kunstwerke – etwa von Alexander Calder und Jean Arp – als auch durch die Vorstellung zweier Schlüsselbauten, der Villa Mairea (1938/39) im finnischen Noormarkku und dem Maison Louis Carré (1956-1959, 1961-1963) im französischen Bazochessur- Guyonne.
Der dritte Ausstellungsraum betrachtet Aaltos Werk als Designer von Möbeln, Leuchten und Glasobjekten und verfolgt die Geschichte der von ihm mitbegründeten Galerie und Möbelfirma Artek.
Der vierte und letzte Bereich widmet sich Aaltos internationalem Aufstieg in der Nachkriegszeit und seinen Großprojekten in Architektur und Stadtplanung, darunter das Studentenwohnheim Baker House (1946-1949) am Massachusetts Institute of Technology (Cambridge, MA, USA), das Wohnhaus im Berliner Hansaviertel (1955-1957), welches als Teil der Interbau-Ausstellung (IBA) 1957 entstand sowie das Kulturzentrum Wolfsburg (1958-1962).

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