In der Ausstellung Vorletzte Wahrheiten sind einige der bedeutendsten nonkonformistischen russischen Künstler mit rd. siebzig Gemälden, Skulpturen und grafischen Arbeiten aus den 1960er- bis 1980er-Jahren vertreten. Diese Künstler waren von dem offiziell vorgeschriebenen patriotischen Stil des Sozialistischen Realismus abgewichen und hatten unmittelbar nach Stalins Tod 1953 ihre eigene „inoffizielle“ Kunst geschaffen.
Gezeigt wird das Werk von Künstlern, die sich metaphysischen und transzendentalen Konzepten zutiefst verpflichtet fühlten. Diese Gruppe nonkonformistischer Künstler, der Maler wie Dmitri Krasnopevtsev, Mikhail Shvartsman, Edik Steinberg und Vladimir Weisberg angehörten, entwickelte einen Stil, der typisch für die „Moskauer Metaphysiker“ wurde. Obwohl sie keine einheitliche Schule bildeten, sind „das Metaphysische“ oder „die Quintessenz eines Gegenstands jenseits seiner konkreten Eigenschaften “ Schlüsselbegriffe für das Verständnis ihrer Kunst. Diese Künstler betrachteten es als ihre Aufgabe, das Geistige und andere innere Wahrheiten hinter den äußeren Erscheinungsformen zu enthüllen.
Die Ausstellung beginnt mit Arbeiten des russisch-deutschen Künstlers Alexej von Jawlensky, der bereits 1911 stilisierte, bildfüllende Köpfe mit kräftigen, schwarzen Linien und intensiven, artifiziellen Farben malte. Obwohl Jawlensky vor allem in Deutschland Karriere machte, lassen seine Werkgruppen mit Köpfen, Gesichtern und Meditationen eine Nähe zur russischen Ikonenmalerei erkennen. Auch Mikhail Shvartsman verwandelte das menschliche Gesicht in „metaphysische Köpfe“. Shvartsman, ein mystisch inspirierter Künstler, schuf seit Mitte der sechziger Jahre seine emblematisch-architektonischen, von ihm als „Hieraturen“ bezeichneten Kompositionen. Steinberg, ein weiterer Vertreter der Moskauer Metaphysiker, zog es vor, mit völlig abstrakten Formen zu arbeiten, denen er jedoch eine spirituelle Intention verlieh; seine Werke sollten die Sehnsucht nach einer Vereinigung mit dem Göttlichen ausdrücken. Die in Krasnopevtsevs Stillleben abgebildeten Gegenstände scheinen sich aller zeitlichen Eigenschaften entledigt zu haben und zeigen eine Dimension der Harmonie, Ordnung und Ruhe.
Die Ausstellung „Vorletzte Wahrheiten“ präsentiert die Arbeiten der Moskauer Metaphysiker Seite an Seite mit denen der Moskauer Konzeptualisten wie Ilya Kabakov, Viktor Pivovarov und Dmitri Prigov, die die Beziehung zwischen Form und Bedeutung bei der Entstehung von Textbildern erforschten. Während Künstler wie Prigov und Erik Bulatov sich mit den Symbolen, Mythen und Ritualen der sowjetischen Massenkultur befassten, wandte sich Grisha Bruskin mit seiner ebenfalls in dieser Ausstellung vertretenen Skulpturenserie Metamorphosis kabbalistischem Gedankengut zu. Die beiden in Bruskins Skulpturen vorherrschenden Farben Rot und Schwarz stehen für die Schöpfung und das Nichts. Oleg Vassilievs Werk gilt als die Verschmelzung zweier wichtiger Traditionen in der russischen Kunst, nämlich der realistischen Malerei des 19. Jahrhunderts und der Avantgarde des frühen 20. Jahrhunderts. Immer auch eine Auseinandersetzung mit Licht und Raum, verbinden Vassilievs Arbeiten gegenständliche Motive mit abstrakten, eindimensionalen, flachen Formen.