Das Städtische Kunstmuseum Spendhaus Reutlingen zeigt zum Jahresende unter dem Titel „Wege zu Gabriele Münter und Käthe Kollwitz“ rund 170 Holzschnitte von 42 Künstlerinnen des Jugendstils und des Expressionismus.
Künstler i n n e n sind heute in Ausstellungen und Katalogen zum Jugendstil und zum Expressionismus in der Regel nur in relativ geringer Zahl vertreten. Zwar gelten mittlerweile die druckgrafischen Arbeiten von Gabriele Münter oder Käthe Kollwitz unbestritten als bedeutende Beiträge zur Kunst des deutschen Expressionismus. Dass vor und neben diesen beiden eine Vielzahl weiterer zu ihrer Zeit recht erfolgreicher, heute allerdings oft vergessener Künstlerinnen das Medium des Holzschnitts intensiv und originell nutzten, belegt die Ausstellung eindrucksvoll. Dem Titel der Ausstellung entsprechend, werden im Zentrum der Präsentation exemplarische Werkgruppen von Gabriele Münter und Käthe Kollwitz stehen. Daneben werden aber Arbeiten von 40 weiteren Künstlerinnen gezeigt. Die Exponate stammen aus der eigenen Sammlung des städtischen Kunstmuseums sowie aus verschiedenen öffentlichen und privaten Sammlungen, etwa aus der Stiftung Museum Schloss Moyland oder aus der Städtischen Galerie im Lenbachhaus in München.
Sowohl in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg als auch in den 1920er-Jahren wandten sich auffällig viele Künstlerinnen der Druckgrafik und gerade auch dem Holzschnitt zu. Dies hat zunächst damit zu tun, dass Frauen an den staatlichen Kunstakademien zum Teil bis in die Zeit der Weimarer Republik hinein nicht zum Studium zugelassen waren. Die Kunstgewerbeschulen und privaten Kunstschulen, an denen sie ihre Ausbildung stattdessen absolvierten, erwiesen sich häufig als innovativer und aufgeschlossener als die traditionellen Akademien. Gerade an diesen Einrichtungen wurde auch oft der von der Avantgarde um die Jahrhundertwende wiederentdeckte Holzschnitt gelehrt. Teilweise wurde der Holzschnitt sogar als ein der Natur der Frau besonders entsprechendes Medium angesehen. Aus diesem Grund wurden Künstlerinnen häufig gezielt aufgefordert, für Zeitschriften oder Mappenwerke Holzschnitte zu schaffen. So hat etwa Herwarth Walden, der Herausgeber der Zeitschrift Der Sturm, Gabriele Münter und Maria Uhden angeregt, sich dem Holzschnitt zuzuwenden.
In der Ausstellung reicht das Spektrum von typischen Jugendstilkünstlerinnen, die sich häufig auf ein einziges Thema wie etwa die Darstellung von Landschaften oder von Tieren spezialisierten, bis zu den Künstlerinnen der Weimarer Republik, die sich meistens einer typisch expressionistischen Bildsprache bedienen und in ihren Arbeiten thematisch immer wieder auch auf den Ersten Weltkrieg und die sozialen Missstände der Zeit reagieren.