13.01.2012 - 12.02.2012
Sei es nun im Roman, in der Lyrik oder im Drama, jede Literaturgattung kennt Beispiele dafür, dass fiktive, erdachte, ersonnene und erträumte Räume und ganze Städte beschrieben werden. Manche Schriftsteller setzen ihre Ideen sogar zunächst selbst in Handskizzen um, bevor sie an die sprachliche Formulierung gehen. Einige dieser interessanten Originale, die in einer Sammlung des Architekturmuseums in München zusammengefasst sind, sollen als Leihgaben nach Traunstein geholt werden, um das Schulprojekt des Annette-Kolb-Gymnasiums zu ergänzen. Im Schulprojekt selbst geht es darum, die Architektur, wie sie in Büchern geschildert und
erlebt wird, sichtbar werden zu lassen. Das setzt eine genaue Lektüre und Interpretation der Passagen über Architektur voraus, bei der Übertragung in Zeichnungen und bei der Modellanfertigung stehen den Schülern Profi-Architekten zur Seite. Die Vergegenständlichung der poetischen Luftschlösser kann helfen, tiefer in die Räume und Welten der Dichter einzudringen, sich besser in den erdachten Labyrinthen der Literatur zu orientieren, ist aber gleichzeitig bereits Literaturinterpretation. Dabei wird es sowohl um fiktive Architektur als Konstruktion von Utopie und Apokalypse gehen wie auch um reale Architektur als Abbild historisch-gesellschaftlicher Verhältnisse. So wandert Eichendorffs Taugenichts durch das Modell einer romantischen Landschaft und findet sich plötzlich nach einem gewaltigen Zeitsprung in einem modernen Road-Movie von Jack Kerouac wieder. Michal Endes phantastisch-utopisches Land Mandala wird kontrastiert mit der monströs-monumentalen Nazi-Architektur und es wird der Frage nachgegangen, welche Gemeinsamkeiten die phantasierte Architektur in den Büchern von Umberto Eco, Joanne K. Rowling und M.C. Escher haben. Der Ausstellungsbesucher begibt sich in die Abgründe von Folterkellern oder kann sich an einer vergleichenden Typologie zwischen fiktionalen und historischen Stätten des Schreckens vom Mittelalter bis in die neueste Zeit versuchen. Ein fotografisches Projekt greift den Bau des Roithamerschen Wohnkegels aus Thomas Bernhards Roman Korrektur auf und erforscht die Ähnlichkeiten zum Haus des Philosophen Wittgenstein in Wien.