Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen fünf einzigartige Sammelkladden des Dichters und Collagekünstlers Kurt Schwitters mit so aussagekräftigen Titeln wie Kritiken. Spezialhaus für Abfälle oder Bleichsucht und Blutarmut – Interessante Briefe sowie Alles Mögliche, was uns interessiert. Die collagierten Hefte enthalten zahlreiche Zeitungsausschnitte (darunter Rezensionen eigener Publikationen und Ausstellungen), Künstlerkorrespondenz, Leserbriefe (vorwiegend Reaktionen auf sein Gedicht An Anna Blume), sowie weitere aufschlussreiche Zeugnisse der zeitgenössischen Rezeption. Auch ein Gästebuch, das Schwitters in der Merzausstellung 1922 in Hildesheim auslegte, zählt zu diesen selten gezeigten Kostbarkeiten aus dem Nachlass.
Die Ausstellung ermöglicht mittels digitaler Projektion das Blättern in den Sammelkladden, die ein lebendiges Bild von Schwitters’ Entwicklung im kulturellen Umfeld in Hannover und innerhalb der internationalen Avantgarde vermitteln. Quasi aus der Innensicht offenbaren die Dokumente ein weites künstlerisches Umfeld und Schwitters’ Beziehungen zu anderen Künstlern und Autoren, zu Redakteuren und Verlegern, Galeristen und Museen. Sie verorten ihn im Kontext von Produktion und Rezeption, Institutionalisierung und Kommerzialisierung der Kunst und Literatur des frühen 20. Jahrhunderts. Zugleich bezeugen sie Schwitters’ Sammel- und Konstruktionsleidenschaft sowie die Reichhaltigkeit und Komplexität seiner Merzkunst, zu deren Strategien auch die künstlerische Verwertung der vielfältigen Resonanz gehörte, die diese von Beginn an erfuhr. Nirgends zeigt sich Schwitters‘ Interesse am Publikum und an der Vermittlung seiner Kunst deutlicher als in diesen Textsammlungen. Die Notizbücher führen nahe an das Selbstverständnis des leidenschaftlichen Materialverwerters heran. Seine Merzkunst erweist sich als eine Methode der Abfallmontage, die archiviert, Position bezieht wie auch zur Widerrede provoziert.
Die Kladden wurden im Rahmen des vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst geförderten Forschungsprojekts „Wie Kritik zu Kunst wird. Kurt Schwitters’ Strategien der produktiven Rezeption“ erstmals von einem Editionsteam unter der Leitung von Ursula Kocher (Bergische Universität Wuppertal) und Isabel Schulz (Sprengel Museum Hannover) umfassend erschlossen und werden 2014 publiziert.