27.03.2009 - 29.06.2009
Golo Mann galt bislang als nichtpraktizierender Homosexueller. Mehr wollten ihm seine Biographen nicht zugestehen. Dabei konnte man doch in den Tagebüchern Thomas Manns lesen, welche Freunde Golo nach Hause brachte. Manchmal fand auch Thomas Mann sie ausgesprochen anziehend. Golo Mann war immer sehr diskret, nur in Briefen an seinen Freund Manuel Gasser wurde er deutlicher und gestand Sehnsüchte und Affären ein. Die Ausstellung im Schwulen Museum verfolgt diese Spuren. In einer Rauminszenierung wird Golo Manns Jugend und das familiäre Umfeld dargestellt. Im Mittelpunkt steht das schwierige Verhältnis zum Vater, das sein Leben nachdrücklich prägte. Auch das Verhältnis zu den Geschwistern war nicht immer einfach. Klaus und Erika waren die bewunderten Älteren, die sich dem Jüngeren aber nur dann widmeten, wenn sie gerade Lust hatten. Vater und Mutter bescheinigte Golo Mann, keinerlei Ahnung von Pädagogik gehabt zu haben. Seine Erziehung fand dann im Internat Salem statt. Aber auch dort, inmitten all der körperlichen Ertüchtigung, saß er mit seinen musischen Vorlieben zwischen allen Stühlen. Dieser Zustand hielt zeitlebens an. Immer fühlte er sich fremd, nicht zugehörig.
Golo Mann promovierte bei Karl Jaspers über Hegel. Seine Universitätslaufbahn wurde durch die Machtergreifung der Nazis gestört, er folgte der Familie ins Exil. Von den Nazis ausgebürgert, nahm er mit seinen Eltern und den beiden jüngeren Geschwistern die angebotene tschechische Staatsbürgerschaft an, arbeitete als Lektor und Dozent an französischen Universitäten und unterstützte den Vater bei der Herausgabe der Zeitschrift „Maß und Wert“, die in Zürich erschien. Als Thomas Mann mit seiner Familie nach Amerika ging, blieb Golo in der Schweiz, wurde später in Frankreich interniert und konnte mit seinem Onkel, Heinrich Mann, flüchten. Kurzzeitig lebte er in New York mit seinem Schwager W. H. Auden in einer schwulen WG zusammen mit Benjamin Britten, Peter Sears, Paul und Jane Bowles. Für seinen Vater war Golo Mann im amerikanischen Exil eine wichtige Stütze, er übernahm Rezensionen, die dem Zauberer nicht lagen, überarbeitete seine Vorträge und half bei der Post. Auch in den USA arbeitete er als Professor für Literatur und Geschichte. Wie sein Bruder Klaus trat er nach Kriegseintritt der USA in die Armee ein und wurde als Propagandaoffizier beschäftigt.
Golo Manns Entwicklung vom Sohn Thomas Manns zur öffentlichen Figur der Bundesrepublik Deutschland steht im Mittelpunkt des zweiten Raums. Hier wird der Historiker gewürdigt, dessen Bücher Bestseller wurden. Sein Wallenstein fand großen Anklang bei der Leserschaft, wurde verfilmt und wegen seiner literarischen Form von der Historikerzunft misstrauisch beäugt. Auch hier wieder Golo Manns Gefühl der Nichtzugehörigkeit. Schon früh hatte er sich für die Anerkennung der Folgen des Zweiten Weltkriegs in der Politik eingesetzt. Sein 1953 im Goethe Institut Rom gehaltener Vortrag über die Anerkennung der neuen Grenzen löste eine parlamentarische Anfrage aus. In Willy Brandts Ostpolitik, die er unterstützte, fand er vorübergehend eine fragile politische Zugehörigkeit. Anfangs sympathisierte er mit den aufmüpfigen Studenten, deren zunehmender revolutionärer Furor ihn aber später abstieß. Erinnerungen an die Weimarer Republik stellten sich ein. Unangepasst wie Golo Mann zeitlebens war, schlug er sich kurzfristig auf die Seite des Kanzlerkandidaten Franz Josef Strauss. Die allgemeine intellektuelle Ablehnung StraussÂ’ sah er als gezielte Hasskampagne, der er sich als Demokrat, wenn auch mit gemischten Gefühlen, entgegenzustellen hatte. Deutscher Staatsbürger wurde er dann wieder aus privaten Gründen. In der Schweiz konnte er seinen Freund Hans Beck nicht adoptieren. Seine politische Meinung war gefragt. Ehrungen, Preise und Anfragen, denen er sich nur schwer entziehen konnte, behinderten seine literarische Tätigkeit. Böse Zungen, die auf seine Allgegenwart in den Medien reagierten, sprachen von der Deutschen Kassandra.
Zeitgleich zur Ausstellung erscheint im Fischer Verlag die wunderbare Golo Mann Biographie von Tilman Lahme. Ihr verdankt die Ausstellung Bestätigung und viele weiterführende Hinweise, nicht nur zu Golo Manns Liebesleben. Dem Autor und dem Verlag, der uns vorab die Biographie zur Verfügung stellte, gilt unser Dank.