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Schwules Museum


Lützowstraße 73
10785 Berlin
Tel.: 030 69 59 90 50
Homepage

Öffnungszeiten:

So,Mo, Mi, Fr 14-18 Uhr
Sa 14.00-19.00 Uhr
Do 14.00-20.00 Uhr

Jean Genet (*19.12.1910- †15.04.1986) Hommage zum 100. Geburtstag

06.12.2010 - 07.03.2011
Am 19. Dezember wäre Jean Genet 100 Jahre alt geworden. Das Schwule Museum ehrt den genialen, skandalbehafteten Schriftsteller mit einer großen biografischen Ausstellung. Die Hommage ist zugleich der Auftakt für die Festlichkeiten zum 25. Jubiläum des Schwulen Museums, das sich nunmehr seit einem Vierteljahrhundert der Erforschung schwuler und zunehmend lesbisch-queerer Geschichte(n) widmet. Jean Genet (19. Dezember 1910; + 15. April 1986) kultiviert das Böse. Der Päderast, wie Sartre ihn unablässig nennt, um das Skandalon der Homosexualität in seiner abfälligsten Form zu betonen, mutet heute als Begriff seltsam fremd an. Genets autobiografische Romane drehen sich um Diebstahl, Mord, Verrat und Homosexualität. Cocteau war schockiert und begeistert, hielt sie aber für nicht druckbar. Anfangs in Liebhaberkreisen zirkulierend, wegen ihrer pornographischen Direktheit verpönt und zugleich begehrt, begründen sie den Mythos von Genet, dem ungeliebten Kind der öffentlichen Fürsorge, dem schwererziehbaren Jugendlichen, dem Dieb und Stricher, der sich aus dem ihm vorbestimmten Kreislauf von Vergehen und Strafe durch die Literatur befreit. Sein Roman Querelle war der vorweggenommene Höhepunkt möglicher schwuler Literatur. Ihn vor allem liebten die Schwulen. Lange diente Querelle, trotz der literarischen Qualitäten, als Onaniervorlage - es gab ja kaum anderes. Die deutsche Staatsanwaltschaft verbot den Roman, der 1955 bei Rowohlt erschienen war. Erst 1960 setzte Andreas J. Meyer, Genets deutscher Verleger, die Freigabe von Notre-Dame-des-Fleurs durch. Saint Genet, Sartres monumentale Einführung, 1952 als Band Eins der gesammelten Werk Genets bei Gallimard erschienen, dominiert den ersten Raum unserer Ausstellung: 168 Zitate zeichnen Sartres Versuch einer marxistischen Psychoanalyse nach, die letztendlich zu Genets Verstummen als Romanautor führte. Auf lange Zeit das letzte Wort, ehrfurchtheischend, von schwulen Autoren geschmäht, hat Sartre den Mythos Genet zementiert, auch für Genet selbst. Dem gegenüber stehen Auszüge aus Querelle, flankiert von Zitaten zu Genet, von Künstlern, Politikern, Autoren und Schwulenbewegten. Hier werden die vo­luminösen Erstausgaben präsentiert, hier finden sich Zeichnungen von Cocteau auf Wände appliziert, hier wird den Mythen seiner trostlosen Kindheit und seiner kriminellen Karriere begegnet. Kleine Exkurse zeigen Genets Liebhaber und seine Freundschaft mit Alberto Giacometti, abgerundet durch Buchillustrationen aus dem Merlin Verlag. In den fünfziger Jahren entstanden die Theaterarbeiten, die Genet zu einem der meistgespielten Autoren auf bundesdeutschen Bühnen werden ließen. Seine Stücke galten als skandalös. Oft kam es zu Missverständnissen, wenn Regisseure die poetischen Metaphern allzu realistisch umsetzten. Genets Einsprüche und Verweigerungen sind legendär. Im zweiten Raum unserer Hommage geht es neben Genets politischem Engagement für die Black-Panther-Bewegung und seinem unglücklichen Einsatz für die RAF vor allem um die Berliner Inszenierungen seiner Stücke. Eine Installation zu Hubert Fichtes Zeit-Interview, mit Auszügen aus Fichtes Tagebüchern und Fotos von Leonore Mau ziert die Stirnseite des Raumes. Von Douglas James Johnson zeigen wir zehn Collagen, die sich mit Genets umstrittenem Werk Pompes Funèbres beschäftigen. Genets merkwürdige Faszination für den deutschen Faschismus, das absolut Böse und zugleich Banale, das den Führer als Schwulen glorifiziert, die deutschen Besatzer sexualisiert: der deutsche Erbfeind, der das gehasste Frankreich demütigt und den unge­liebten Fürsorgezögling Genet rächt, lobt Sartre als gelungenen Liebesbeweis für Genets Freund und Wider-standskämpfer Jean Decarnin. Der letzte Teil der Ausstellung zeigt Fassbinders 1982 entstandene filmische Umsetzung von Genets Querelle. Sowohl das Drehbuch von Werner Schroeter, als auch Fassbinders Fassung, sind neben Plakaten, Fotos, Kostümen und Dokumenten zu sehen. Die Arbeiten von Anno Wilms setzen sich mit Genets Seiltänzer-Text auseinander. Hier werden weitere Theateraufführungen, Fotos und Filme gezeigt, die in der letzten Lebensspanne Jean Genets realisiert wurden. Seinem Engagement für die Palästinenser ist eine große Wand gewidmet.

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