27.01.2012 - 01.05.2012
Eine Münchner Lokalgröße im Schwulen Museum? Harry Raymon hat auch Berliner Wurzeln: 1957 spielte er neben Horst Buchholz in Georg Tresslers Endstation Liebe einen jungen Arbeiter, in den frühen 1960er Jahren gehörte er zu den Mitbegründern des Forum Theaters am Kurfürstendamm, wo er inszenierte und als Schauspieler auftrat. Seine Schauspielausbildung absolvierte Harry Raymon nach dem Dienst in der US Army in Erwin Piscators Dramatic Workshop in New York. Seine ersten Auftritte wagte er dort und im Sommertheater, wo er mit Tony Curtis auf der Bühne stand.
Geboren wurde er als Harry Heymann in Kirchberg im Hunsrück. Sein Vater besaß dort ein Textilgeschäft. Als 1933 die Repressalien gegen jüdische Bürger begannen, drängte Harrys Mutter auf Auswanderung. Die Familie emigrierte 1936 in die USA. Harry besuchte die Schule in New York und träumte von einer Kariere als Filmstar. Aber seine Eltern kauften eine Hühnerfarm in New Jersey. Nach dem High School Abschluss wurde er 1944 einberufen. Seine Aufgabe in der Army war die Befragung von Kriegsgefangenen. Nebenher besuchte er Kurse für Schauspiel, eine Fortbildungsmaßnahme der amerikanischen Armee in Frankreich für ihre Soldaten. Gastdozentin war Marlene Dietrich.
1948 kam Harry Raymon über Paris nach Stuttgart, wo er in der Musikhochschule Gesang studierte. Seine Eltern waren wenig begeistert, dass er ins Land der Täter zurückkehrte. Hier gründete er das Pantomimische Theater Die Gaukler. Die Gruppe hatte Erfolg: Gastspiele in ganz Europa sollten bis 1955 folgen. Mit seinem Freund Wolfgang Parr versuchte er sich als Stückeschreiber. 1963 erschien das erste Stück im Fischer-Verlag. 1982 wurde im Forum des jungen Films Harry Raymons erste Regiearbeit Regentropfen vorgestellt. Hier setzte er erstmals die Erfahrungen der Auswanderung seiner Familie künstlerisch um. Weitere Arbeiten als Schauspieler und Synchronsprecher folgten. Harry musste erleben, dass er in der Bundesrepublik vorwiegend als Ausländer, besonders oft als Araber besetzt wurde. Die Schauspielkarriere kam ins Stocken. Der Job als Reiseleiter blieb vorübergehend, neue Engagements in Fernsehen, Theater und Werbung folgten. Schwules Leben zeigt sein Dokumentarfilm Im Glockenbachviertel von München, der 2007 entstand. Zwischendurch schreibt Harry Raymon Romane und Erzählungen. 2005 erscheint der autobiographische Roman Einmal Exil und zurück, der unserer Ausstellung den Titel gab. Zu sehen sind Fotos und Dokumente aus dem Besitz von Harry Raymon, angereichert durch Material aus dem Stadtmuseum Berlin, dem jüdischen Museum München, der Deutschen Kinemathek und Leihgaben aus Privatbesitz.