René Koch kennt sie alle, die Diven aus Film und Fernsehen, Oper, Theater und Politik – er hat sie alle beraten, mit dem passenden Make-up versehen und oft wurde er ein Freund.
Die „Kunst des schönen Scheins“ hat er von der Pike auf gelernt. Er war sein eigenes Modell und das führt uns direkt zu seinen Anfängen, stand er doch in den 60er Jahren als Travestie- Star auf der Bühne. Er hat die Fotos von sich im Glitzerkleid und Lockenperücke aufbewahrt, zeigt sie nun erstmalig der Öffentlichkeit. Seine Auftrittsorte waren schwule Bars, Clubs und Maskenbälle. Damals war es noch eine richtige Mutprobe „aufgetufft“ Taxi zu fahren. In Frauenkleidern wurde man sofort als „Fummeltante“ diskreditiert. Gängige Vorbilder waren damals Hollywoodgöttinnen wie Mae West und Marlene Dietrich. Aber René Koch liebte den Schuss ins Extraordinäre und Übertriebene, überlebensgroß und gar nicht „Mutti“. Riesige Boas aus Krepp-Papier und selbstgebastelte Wimpern aus schwarzer Pappe waren Pflicht. Er bewegte die Lippen zu Chansons von Zarah Leander und Helen Vita. Das Publikum im damaligen „Kleist Casino“ amüsierte sich köstlich.
Es war eine Schule des Lebens, hier lernte er, was es zum „Großen Auftritt“ braucht. Doch jäh konnte so ein Abend durch eine unangekündigte Polizeirazzia enden, indem die Besucher auf dem Polizeipräsidium landeten, wo sie in die berüchtigten „Rosa Listen“ eingetragen wurden.
Bald war er des Nachtlebens überdrüssig, jobbte als Verkäufer in einem Gemüseladen, um eine Kosmetik- und Visagistenausbildung zu finanzieren. Die amerikanische Kosmetikmarke CHARLES OF THE RITZ wurde auf ihn aufmerksam, förderte ihn und bildete ihn weiter. Koch blieb der Firma 21 Jahre lang treu (1969 – 1990) und stieg hier sowie bei Yves Saint Laurent Beauté zum Chefvisagisten auf. Er arbeitete in Paris, London, New York, Zürich und Berlin.
Ende der 70er Jahre lernte er Hildegard Knef auf dem legendären „Tuntenball“ im ICC kennen, die ihn zu seinem engsten Beauty-Vertrauten machte. René Koch war nicht nur für ihr Make-up verantwortlich, sondern beriet sie auch in Lebens- und Modefragen. Dies ist in einem Bereich der Ausstellung zu sehen. Die Liste seiner prominenten Kundinnen ist lang und exklusiv, von Joan Collins über Claudia Schiffer bis Brigitte Nielsen.
Nach langem Berufsleben ist er Ehrenmitglied in vielen Verbänden. Er engagiert sich seit vielen Jahren im Kuratorium der Berliner Aids-Hilfe und erinnert sich an die Anfänge als er zusammen mit Schauspielerin Judy Winter beim Sammeln am Welt-Aids-Tag am Europa-Center angespuckt wurde. 1996 gründete er den Arbeitskreis Camouflage e.V. einen gemeinnützigen Verein für Menschen mit Brand- und Unfallnarben sowie angeborenen und erworbenen Hautanomalien. Dafür erhielt er 2002 den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland und 2013 den Verdienstorden des Landes Berlin aus den Händen des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit.
In der Kosmetikbranche hat er alle wichtigen Preise erhalten: vom Cosmetic Oscar (1986) über die Asta- Poppelsdorff- Medaille (2000) bis zur Goldenen Maske für Kreativität und Trendbestimmung (2003). Seit 2006 präsentiert er seine eigene Kosmetiklinie „Cosmetic de Luxe“ auf einem TV- Kanal. Er ist Autor diverser Schönheitsbücher, malt und schreibt Gedichte. Unzählige Auftritte im Fernsehen künden von seiner Beliebtheit. Die Presseberichte über ihn sind zahlreich. Kurzum René Koch ist prominent.
Das Schwule Museum* ehrt René Koch auch, da er für Berlin 2008 ein weiteres Museums-Highlight geschaffen hat: Das Lippenstiftmuseum. Hier schwelgt das Auge in historischen Objekten, die alle die „Kunst des schönen Scheins“ ermöglichen: Kostbare Puderdosen mit integrierten Lippenstiften, juwelenbesetzt, Werbeplakate, Kurioses, immer letzte Schreie der Kosmetikindustrie von gestern bis heute, Farbpaletten von rosa bis blutrot, signierte Lippenabdrücke vieler Prominenter und all die vielen Schönheitshilfen – sowohl aus dem Kapitalismus als auch aus dem Sozialismus. Erfolgreiche Sonderausstellungen aus seinen Beständen waren in verschiedenen Städten und Museen zu sehen.