11.04.2008 - 11.08.2008
Im Jahr 2004 bekam das Schwule Museum die riesige Materialsammlung des damals 86-jährigen Berliner Grafikers Eberhardt Brucks. Sie umfasst einen Großteil des zeichnerischen Gesamtwerkes. Außerdem enthält sie Briefe und Fotografien, aber auch Skizzen, Notizen, Programme, Bücher u. v. m.
Die Sichtung und Auswertung des Materials belegt BrucksÂ’ manische Sammelleidenschaft. Sie lässt das Bild eines Homosexuellen und Künstlers entstehen, dessen Entwicklung von gesellschaftlichen Umbrüchen und politischen Zwängen geprägt war. Ebenfalls deutlich wird seine Suche nach künstlerischen, geistigen und sexuellen Freiräumen. Unzählige Briefe und Fotografien offenbaren Netzwerke von Freundschaften und solidarischen Beziehungen. Diese ermöglichten es ihm, sowohl die Zeit des Nationalsozialismus als auch die Nachkriegsära in Deutschland bis zur Liberalisierung des Paragrafen 175 im Jahre 1969 unbeschadet zu überstehen.
Geboren 1917 in Berlin-Lichtenrade, wuchs Eberhardt Brucks in einer religiös geprägten Familie auf, deren mittelständische Existenz durch die Weltwirtschaftskrise zerstört wurde. Die wirtschaftlich angespannte familiäre Situation sowie eine angeborene Körperbehinderung ließen Eberhardt Brucks frühzeitig in eine Gegenwelt flüchten, die er durch Filme und Literatur fand.
1936 begann er eine Ausbildung zum Kostüm- und Bühnenbildner an der Textil- und Modeschule Berlin. Noch vor Abschluss des Studiums musste er 1938 zum Arbeitsdienst antreten, dem der Wehrdienst und die Einberufung als Soldat folgten. Bis 1945 blieb er in der Nähe Berlins stationiert, wegen seiner Behinderung war er für den Fronteinsatz ungeeignet. Er versuchte, die unterbrochene Ausbildung dennoch fortzusetzen, indem er Kurse an der Hochschule für bildende Künste belegte.
Trotz des Verfolgungsdrucks gelang es Brucks, seine sexuellen Bedürfnisse und Wünsche punktuell zu leben. In der Großstadt Berlin gewährte insbesondere die Anonymität der Dampfbäder einen gewissen Schutz.
Nach Kriegsende begann er seine Ausstellungstätigkeit und wurde 1947 bekannt durch die Illustrationen für E.T.A. Hoffmann. Die lebenslange Beschäftigung mit dessen phantastischen Welten bot ihm einen zuverlässigen geistigen Rückzugsort.
1948 ging Brucks für ein Jahr in die Schweiz. Dort kam er in Kontakt mit der Homosexuellen-Organisation „Der Kreis“, für deren Publikation er Zeichnungen lieferte. Danach arbeitete er auch für die deutsche Homosexuellenbewegung.
1954 illustrierte Brucks die Broschüre Strichjunge Karl, die männliche Prostitution behandelte. Von der Presse weitgehend totgeschwiegen, hatte diese Publikation dramatische Folgen: der Autor Botho Laserstein wurde strafversetzt und beging Selbstmord, der Verleger Christian Hansen Schmidt musste Konkurs anmelden.
Zwischen 1954 und 1961 arbeitete Brucks als Statist an der Volksbühne im Osten der Stadt, parallel begann er eine Tätigkeit als Porträtfotograf. Im Verborgenen betrieb er einen Handel mit erotischen Fotografien. Nach dem Mauerbau wurde er Statist beim Film in West-Berlin und war von 1964 bis 1970 für den Berufsverband Bildender Künstler tätig.
Kurzzeitige und auch längere Liebschaften prägten das Leben des Künstlers, bis der Berliner Hans Pählke in sein Leben trat. Diese wichtigste Beziehung dauerte über zehn Jahre, endete jedoch dramatisch: 1963 nahm sich Pählke das Leben. Brucks wandte sich anschließend wieder verstärkt der Kunstproduktion zu und experimentierte mit neuen Techniken wie z.B. Wachsmalkreide. In Frankfurt/Main hatte er 1987 seine letzte Einzelausstellung. Er lebt noch heute in der elterlichen Wohnung in Berlin.
Die Ausstellung dokumentiert durch hunderte Zeichnungen, Fotografien und Belege aus seiner Sammlung den Lebens- und Schaffensweg von Eberhardt Brucks.
Eröffnung am 10. April 2008, 19.00 Uhr