Jean-Marie Poumeyrol wird 1946 in Libourne, nahe Bordeaux, geboren. Aus einfachen Verhältnissen stammend ist er schon früh auf seine Fantasie und Vorstellungskraft angewiesen, sodass sich in seiner Kindheit oftmals Realität und Imaginäres durchmischen. Bereits als Schüler wird ihm in einem Malkurs der Umgang mit Perspektive, Lichteinfall, Schattenwurf und Proportionen nahegebracht. Von 1963–1969 studiert er Malerei an der École des Beaux Arts von Bordeaux. Hier findet er auch eine Welt, in der Kultur und Zivilisation mit dem Streben nach Meisterschaft einhergehen. Im Anschluss arbeitet er zunächst als Hilfslehrer an Berufsschulen, ehe er sich ab 1973 ausschließlich der Malerei widmet und nach Pau zieht, wo er seither freischaffend tätig ist. Die Malerei empfindet er als den einfachsten Weg, die Empfindungen seiner Gedankenwelt zum Ausdruck zu bringen. Mit Interpretationen des Realen versucht er sein geistiges Universum darzustellen, oftmals verbunden mit dem Wunsch, verstanden zu werden, aber auch aus der Angst vor dem Vergessen.
Die sich entwickelnde Bild- und Motivwelt ist dabei stets eng verwoben mit seinen Kindheitserinnerungen. Eine sehr frühe abstrakte Phase bringt ihm zwar Bewunderer, aber keine Käufer ein, sodass er sich verstärkt dem Realen zuwendet. Nach seinem Abschluss 1969 an der École des Beaux Arts beginnt er erotische und pornographische Bilder zu zeichnen, die bei Sammlern und Galerien sehr begehrt sind. Das Spektrum reicht von Urbildern des Weiblichen in einer Mischung aus prähistorischer Mutter und moderner Venus über idealisierte, junge verführerische Frauen bis hin zu Reminiszenzen an ältere Frauen seiner Kindheit. Sie alle befinden sich in heimlichen Situationen, heruntergekommenen Interieurs, abgeschnitten von der Außenwelt. Allmählich werden diese Frauen seltener und verschwinden schließlich ganz, nicht ohne Spuren ihres kürzlichen Weggangs zu hinterlassen. Die nun leeren Innenräume bieten Poumeyrol verheißungsvolle Möglichkeiten für alle erdenklichen Geheimnisse, auf die nur Indizien verweisen. In ihnen thematisiert er die ureigensten Ängste der Menschen: Hilflosigkeit, Obsession, Einsamkeit, Dunkelheit, Isolation, die vergehende Zeit ebenso wie Vereinsamung und Tod. Dabei erkundet Poumeyrol Keller, Flure, Abstellkammern, Gartenlauben, Dachbodenmansarden und vieles mehr, stets ausgeleuchtet von kleinen Öffnungen, die der Szene ein voyeuristisches, verräterisches Licht verleihen. Diese Öffnungen lassen mit der Zeit immer mehr von der Umgebung der Gebäude erkennen, so dass der Künstler nach langen Wanderungen in diesen Innenräumen schließlich in die Außenwelt vordringt. Mittels hereinbrechender Erinnerungen skizziert er Orte seiner Kindheit mit teilweise fotografisch genauen Einzelheiten. Orte, die ihn früher fasziniert haben und die er als Kind mit einem kleinen Boot erkundet hat, wie die rauschenden Schleusen des Isle-Kanals, aber auch verlassene Hangars der Wasserflugzeuge oder sinnlos gewordene Bunker. Diese Orte kämpfen gegen den Sand, die Meeresfluten und die Verwilderung an und entblößen dabei klaffend ihre maroden Skelette aus rostigem Metall. Aber auch unterirdische Wasserreservoirs, Abraumhalden, fragile Hütten an verwitterten Mäuerchen, sie alle besitzen eine träumerische Atmosphäre des Vergänglichen und verweisen auf die Rastlosigkeit der Menschen, die sie verlassen haben. Diese verwilderten und teils entfremdeten Orte sind auf Ewig von der einstigen Anwesenheit der Menschen gezeichnet.
So vereint der Künstler in seinen Bildern eine realistisch wirkende Darstellung mit romantisch anmutenden Motiven, erschafft moderne Vanitassymbole und lässt die Vergänglichkeit des Menschen spürbar anklingen. Seine magischen Landschaften vermitteln, ganz dem romantischen Ideal entsprechend, eine vielschichtige Gefühlswelt und treten mit dem Betrachter in einen inneren Dialog. Mit der grau-, braun- und grüntonigen Palette, nur durch wenige Farbakzente unterbrochen, erschafft Poumeyrol so eine Welt seiner Erinnerungen, in der er gleichsam tiefste Empfindungen zum Ausdruck bringt. Mit der feinmalerisch naturnahen und sensualistischen Darstellungsweise erinnert er zu Teilen an den US-amerikanischen Realisten Andrew Wyeth, erweitert diese jedoch um eine gewisse Verklärtheit und Magie. Doch steht Poumeyrol in seiner Region damit nicht allein. So zählt er zusammen mit Pierre Soust und Jean-Pierre Ugarte zu den Exponenten der „Schule von Pau“, die eine gegenständlich realistische Art der Darstellung sowie eine ähnliche Motivauswahl vereint.
Erstmals in Deutschland wird das Lebenswerk Poumeyrols nun von Juli bis Oktober 2015 im Panorama Museum retrospektiv präsentiert wobei über 90 Arbeiten einen umfassenden Überblick über die gesamte Bandbreite seines Oeuvres erlauben. Früheste grafische Werke ab 1968 werden ebenso zu sehen sein, wie wohl das letzte von ihm geschaffene Gemälde in Acryl auf Holz aus dem Jahr 2012.