05.03.2011 - 19.06.2011
Die Ausstellung, die in Kooperation mit dem Nerdrum Institut, Disena in Norwegen (www.nerdruminstitute.com) entstand, präsentiert erstmals in einem deutschen Museum knapp 40 überwiegend großformatige Gemälde von Odd Nerdrum (geb. 1944) aus mehr als 30 Schaffensjahren.
Odd Nerdrum selbst sieht sich nicht als Künstler, sondern als Maler und sein Werk klassifiziert er wie folgt: "Es ist Kitsch in seiner reinsten Ausprägung." Diese Charakterisierung bezog sich in erster Linie auf ein sinnstiftendes Selbstporträt, das ihn als Retter und Propheten der Malerei zeigt, ist jedoch als ästhetisches Programm des Norwegers seit Ende des letzten Jahrhunderts zu verstehen. Vorausgegangen waren Jahre auf der Suche nach Toleranz, Anerkennung und Wertschätzung. Entgegen schlugen ihm jedoch Ignoranz, Anfeindung, ja sogar gezielte Demontage durch die heimische Kunstszene.
Permanentes Missverstandensein und fundamentale Ablehnung gipfelten schließlich in der Erkenntnis, weder ein Künstler noch zeitgenössisch zu sein.
Schon als 18jähriger Student der Kunstakademie in Oslo, die sich vorwiegend an modernistischen Strömungen orientierte, wird sich Odd Nerdrum bewusst, dass diese Ausbildung nicht seinen Vorstellungen entspricht. Das Schlüsselerlebnis ist die Begegnung mit Rembrandts Werk "Die Verschwörung der Bataver unter Claudius Civilis" (1662). Noch an der Akademie versucht er, Mitstudenten und Professoren von der Notwendigkeit zu überzeugen, die Technik der Alten Meister und deren Malweise als Grundlage des Studiums zu definieren. Der herauf brechende Konflikt endet in der Exmatrikulation.
Dies bedeutet Selbststudium, Reisen durch Europa zu den großen Museen mit Sammlungsbeständen der Alten Meister, konsequente Hinwendung zu den bleibenden Werten der Vergangenheit. Sein Debüt 1964 im Künstlerforbundet mit einem Bild im alten Stil wird von den Kritikern verrissen und Nerdrum als Phänomen, der sein eigenes Jahrhundert ignoriert, geächtet. Vier Jahre später erhält er die Möglichkeit
einer Ausstellung in New York, die er jedoch absagt, da man sie zensieren will. Mitte der 1990er Jahre bewirbt er sich auf eine neu eingerichtete Professur für figurative Kunst an der Kunstakademie in Oslo und stößt auf einen gewaltigen Widerstand nicht nur in der norwegischen Kunstwelt, sondern auch von offizieller Seite. Expositionen in seiner Heimat sind selten, Ausstellungserfolge hingegen feiert der Maler seit Mitte der 1980er Jahre vor allem in den USA, wo seither annähernd 30 Projekte präsentiert wurden.
Odd Nerdrum ist stets seinen eigenen Weg gegangen. Seine Malerei kündet von Einsamkeit, Trostlosigkeit, Geworfenheit des Menschen, von Sinnsuche und Schicksalhaftigkeit, denn der Mensch muss sich entscheiden, Schicksal entweder zu sein oder zu erleiden. Entweder man ist der Stärkere,
überlebt und wächst oder man unterliegt, siecht und krepiert. Düstere Welten eröffnen sich, unfruchtbare, trostlose Küsten, Gebirge und Gesteinswüsten, in denen alles Leben erstorben ist. Bevölkert wird dieses wüste Land von Archetypen der Spezies Mensch, von Königen und Kriegern, Siegern, Suchern und Verlierern, von Nackten und Zerlumpten, Krüppeln und Versehrten, Mördern, Todgeweihten und Sterbenden. Der Mensch hat seinen einstigen, ursprünglichen Halt verloren, orientierungslos treibt er im Nichts. Alte Gewissheiten gibt es nicht mehr, dafür Entwurzelung, Einsamkeit, Entfremdung und Selbstverlust. Was nottut, ist eine endgültige Rückbesinnung auf Grundwerte der Vergangenheit, auf
das, was wirklich bleibt.
Nerdrums Malerei nimmt gefangen. Nicht nur das dargestellte als Motiv ist beeindruckend, sondern das Werk in seiner Gesamtheit als malerisches Ereignis, als optische Sensation, die fesselt und fasziniert, die den Betrachter innehalten lässt und Dialogkraft entfaltet. Es ist Malerei in ihrer höchsten Kultur, ist stupendes Können und Vollendung in der Beherrschung der Mittel, in der Wiedergabe von Stofflichkeit,
Raumvorstellung, Atmosphäre und Textur, in der Dramaturgie des Lichtes, der Farbe und der Hell-Dunkel-Gestaltung.
Im Bewusstsein seines überragenden Könnens setzt er sich mit aller Konsequenz sich von seinem Umfeld ab, in dem er wieder und wieder betonte: "Kunst heute ist ohne BedeutungÂ…Da es in der Kunst keine Regeln mehr gibt, bin ich kein Künstler. Deshalb sage ich, dass meine Arbeit Anti-Kunst ist – sie ist Kitsch. Ich bin ein Kitsch-Produzent, ja, das ist es, was ich bin."