01.07.2007 - 26.08.2007
Das Olaf-Gulbransson-Museum für Graphik und Karikatur in Tegernsee präsentiert in seinen Sonderausstellungen sowohl deutsche als auch internationale Künstler. Boris Birger vereint Beides in einer Person: Der russische Maler wirkte bis zu seinem 68. Lebensjahr in der damaligen Sowjetunion, bis er im Jahr 1990 nach Deutschland übersiedelte. Hier wie da ist ein beeindruckendes Werk entstanden, welches im Juli und August im Olaf-Gulbransson-Museum zu sehen ist.
Die Bedeutung Boris Birgers zeigt sich an der Prominenz, die sich der Präsentation seines Werks angenommen hat: Die Ausstellung steht unter der Schirmherrschaft von Bundeswirtschaftsminister Michael Glos, und zur Vernissage im Barocksaal des Tegernseer Schlosses konnte die Olaf Gulbransson Gesellschaft unter anderem die Cellistin Natalia Gutman und den Generalkonsul der Russischen Föderation, Alexander Karatschschewzew gewinnen.
Zu Sowjetzeiten war Boris Birger, geboren 1923 in Moskau, bei der politischen Elite ganz und gar nicht beliebt: In den 60er Jahren hatte Nikita Chruschtschow Birgers Bilder öffentlich diffamiert, weil seine Darstellung des Alttags und der Menschen nicht dem Kanon der offiziellen Kunstdoktrin des „Sozialistischen Realismus“ entsprach. Zweimal wurde Birger aus dem sowjetischen Künstlerverband ausgeschlossen, da er gegen die Verhaftung und Verurteilung regimekritischer Intellektueller protestiert hatte. In dieser Zeit entwickelte sich sein winziges Moskauer Dachgeschoss-Atelier zu einem Treffpunkt von russischen Künstlern und Intellektuellen, die in kritischer Distanz zum Sowjetregime standen, wie Andrej Sacharow und Lew Kopelew, und von zahlreichen Korrespondenten und Diplomaten sowie ausländischen Freunden wie Heinrich Böll. Im Jahr 1990 wanderte Birger nach Deutschland aus, wo er bis zu seinem Tode im Jahr 2001 weiterhin malte und ausstellte. Dass er ausgerechnet im Gebäude der ehemaligen sowjetischen Botschaft bei Rolandseck am Rhein wohnte und arbeitete, wirkt wie eine erneute Bestätigung von Ironie der Geschichte.
Birgers Bilder stehen allesamt in der klassischen Tradition des russischen Impressionismus, deren besondere Leucht- und Lichtkraft auch Heinrich Böll lobte: „Die meisten Maler suchen Licht darzustellen, Licht- und Schattenspiele zu malen, Boris aber malt mit Licht". Der Journalist Alfons Waschbüsch (Koblenz/Mainz) schrieb in einer Würdigung zum Tod des Künstlers: „Boris Birger hat es in wunderbarer Weise verstanden, die Atmosphäre des gesellschaftspolitischen Geschehens in Bildern einfachster Art zu bannen: ein Kirchenportal im Winter, ein dunkler Hof in Moskau, auf dem an einem fast abgestorbenen Baum ein junger Zweig Überleben verheißt, eine aufsteigende Treppe, die in eine lichtdurchflutete unendliche Weite zu führen scheint. Malerei bedeutete für ihn eine ständige Auseinandersetzung mit der Farbe, der Materie und dem Licht. Das Licht war für Boris Birger nie die Beleuchtung von Gegenständen. In den Werken dieses russischen Künstlers entstand die Wirklichkeit viel mehr aus dem Licht.“
Seit seiner Übersiedelung nach Deutschland waren Birgers Bilder unter anderem zweimal im ZDF-Sendezentrum auf dem Lerchenberg in Mainz zu sehen. Der damalige Intendant des Fernsehsender, Dieter Stolte, hatte den Künstler Anfang der 80er Jahre durch Vermittlung des damaligen ZDF-Korrespondenten Dirk Sager in Moskau kennen gelernt und in seiner ärmlichen Hochhauswohnung aufgesucht. Birger arbeitete damals an einem Bilderzyklus biblischer Motive, den er mit der Darstellung des Abendmahls in den 90er Jahren abschloss. Das Bild überreichter er dem Mainzer Bischof, Kardinal Karl Lehmann, zu dessen 65. Geburtstag. Es hängt seitdem in der Kirche der Akademie des Bistums Mainz für soziale und politische Bildung in Heppenheim/Bergstraße. Weitere Werke Birgers befinden sich heute in vielen in- und ausländischen Privatsammlungen und Museen, darunter im St. Petersburger Russischen Museum und im Museum Ludwig in Köln.
Auch, wenn Birger den Großteil seines Lebens in Russland verbrachte, so fühlte er sich sehr zu seiner Wahlheimat hingezogen, und das nicht erst, seitdem er ausgewandert war, wie er selbst einmal formulierte: „Mit Deutschland verbinden mich nicht nur meine treuen deutschen Freunde, sondern auch die Tradition meiner Familie. in der von Kindheit an Goethe und Heine mir ebenso nahe waren wie Puschkin und Tolstoi, Mozart und Schumann so nahe wie Glinka und Tschaikowsky. Ich werde mein Leben in Deutschland nicht umsonst gelebt haben, wenn es mir gelingt, mit meiner Kunst, die jetzt so eng mit dem Rheinland verbunden ist, einen kleinen Beitrag auch zur deutschen Kultur zu leisten.“