Die Ausstellung ist ein aktueller Beitrag zur anhaltenden Debatte um die Kunst aus der DDR und präsentiert einen neuen Forschungsstand. Sie wird organisiert von der Klassik Stiftung Weimar mit dem BMBF-Verbundprojekt »Bildatlas: Kunst aus der DDR«. In den ca. 260 Arbeiten aus Malerei, Grafik, Fotografie, Skulptur und Installation, die vom 19. Oktober 2012 bis zum 03. Februar 2013 zu sehen sein werden, drückt sich nicht nur die Abfolge von programmatischem Neuanfang, Stagnation und letztendlichem Untergang der DDR aus. Vielmehr sollen in der Ausstellung für alle diese Phasen Möglichkeitsspielräume und Konflikte gleichermaßen erkennbar werden. So gab es weniger Einheitlichkeit als damals propagiert wurde und heute in Rückblicken oft suggeriert wird.
Das zeigt sich seit 1990 vor allem auch im ›deutsch-deutschen Bilderstreit‹, der 1999 einen Höhepunkt in der europäischen Kulturhauptstadt Weimar fand. Empört reagierten viele Besucher der Ausstellung »Aufstieg und Fall der Moderne« auf die Art, wie die Kunst der DDR in den Hallen des ehemaligen Gauforums präsentiert wurde. Dort ausgestellte Künstler reisten an, um ihre Werke eigenhändig aus der Ausstellung zu entfernen. Heute nun soll, wiederum in Weimar, durch eine differenzierte Darstellung der Entwicklung im ›Kunststaat DDR‹ ein Beitrag zur Versachlichung der Debatte geleistet werden. »Es geht dabei«, so der Wissenschaftliche Koordinator des Verbundprojektes, Prof. Dr. Karl-Siegbert Rehberg, »nicht nur um die Künste selbst, sondern stellvertretend um Hoffnungen und Enttäuschungen im gesamten Prozess der Wiedervereinigung«.
Ausgehend von der künstlerischen Umsetzung des antifaschistischen Gründungsmythos der DDR sollen unterschiedliche Zielsetzungen und Funktionen im Bereich der Künste deutlich gemacht werden: von Bildprogrammen als ›Erziehungsmittel‹ und der öffentlichen Repräsentation sozialistischer Gesellschaftsentwicklung über den Bedeutungsgewinn künstlerisch erzeugter ›Ersatzöffentlichkeiten‹ bis hin zu den Diagnosen des Systemzerfalls in den 80er Jahren. Statt einer chronologischen Aufreihung wird die Ausstellung anhand von Themenclustern strukturiert, die das Spannungsfeld zwischen offiziell gewünschten und ›nonkonformen‹ Bildwelten aufzeigen. Immer soll sich darin auch das in der Kunst gespiegelte Verhältnis zwischen utopischem Anspruch und sozialistischer Wirklichkeit ausdrücken. Dies wird nicht nur in der facettenreichen Interpretation des Ikarus-Schicksals und anderer Mythen durch viele Künstler deutlich werden, sondern erweist sich auch als Leitmotiv der gesamten DDR-Kunstgeschichte. »Letztlich stellt sich für den Künstler in der DDR immer wieder die Frage nach seiner persönlichen Integrität und schöpferischen Selbstbehauptung vor dem Hintergrund einer staatlich gelenkten Kunstpolitik«, so Prof. Dr. Wolfgang Holler, Generaldirektor Museen der Klassik Stiftung Weimar.
Die zentrale Präsentation in Weimar wird begleitet von zwei Ausstellungen im Angermuseum Erfurt (»Tischgespräch mit Luther. Christliche Bilder in einer atheistischen Welt«) und in der Kunstsammlung Gera (»Schaffens(t)räume. Atelierbilder und Künstlermythen«), die weitere künstlerische Einzelaspekte exemplarisch beleuchten.
Die Ausstellung »Abschied von Ikarus« wird gemeinsam organisiert von der Klassik Stiftung Weimar und dem Verbundprojekt »Bildatlas: Kunst in der DDR« mit seinen Partnern: den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Galerie Neue Meister; dem Institut für Soziologie der Technischen Universität Dresden; dem Kunstarchiv Beeskow und dem Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam. In dreijähriger Forschungsarbeit gelang es dem Verbundprojekt, die zwischen 1945 und 1990 in der SBZ und der DDR entstandene Malerei erstmals systematisch zu dokumentieren. Dabei handelt es sich um mehr als 20.000 Werke in über 160 Sammlungen, die sich in Museen, Unternehmen, Sonderdepots und privaten Einrichtungen befinden. Die Ergebnisse werden neben der Ausstellung und dem Katalogbuch auch in einem gedruckten Bildatlas und einer internetbasierten Datenbank veröffentlicht.