Neue Nationalgalerie (Foto: Maximilian Meisse)
KULTURpur - Wissen, wo was läuft!

Neue Nationalgalerie

Neue Nationalgalerie (Foto: Maximilian Meisse)
Neue Nationalgalerie (Foto: Maximilian Meisse)

Potsdamer Str. 50
10785 Berlin
Tel.: 030 266 424242
Homepage

Öffnungszeiten:

seit 1. Januar 2015 für mehrere Jahre geschlossen

"Werdegang eines Wüstlings". Druckgraphik der 1960er Jahre von David Hockney

19.06.2012 - 30.09.2012

Im Juli und August des Jahres 1961 reiste der 1937 im nordenglischen Bradford geborene David Hockney zum ersten Mal nach New York. Er war zu dieser Zeit noch Student am Royal College of Art in London (1959-1962). 1964 übersiedelte Hockney dann ganz in die U.S.A., nach Los Angeles. Zwischen 1961 und 1965 entstanden zwei druckgraphische Serien - beide von den namhaften Editions Alecto in London verlegt -, in denen er seine Eindrücke aus der "Neuen Welt" verarbeitete, wobei er sich auf ikonographische und formale Elemente der europäischen Kunstgeschichte bezog.

In "Werdegang eines Wüstlings" ("A Rake's Progress") illustrierte Hockney 1961-1963 in einer Folge von 16 zweifarbigen Radierungen seine erste New York-Reise vom Sommer 1961. Das Werk nimmt inhaltlich Bezug auf den berühmten gleichnamigen Zyklus des englischen Künstlers William Hogarth (1697-1764). Zwischen 1733 und 1735 hatte Hogarth seine Bildfolge über den Aufstieg und Fall eines gewissen Tom Rakewell in acht querformatigen Szenen zunächst als Gemälde- und gleich darauf als Kupferstich-Folge ausgeführt: Der verschwenderische Kaufmannssohn Rakewell verprasst sein Erbe in London, kommt in den Schuldturm und endet schließlich im Irrenhaus.

Diese moralisierende Bilderzählung nutzte Hockney als Folie für seine ersten Erfahrungen in der "Neuen Welt": "Ursprünglich hatte ich vor, acht Radierungen anzufertigen, die Hogarth'schen Titel zu übernehmen, irgendwie damit zu spielen und das Geschehen im heutigen New York spielen zu lassen. Ich wollte mit visuellen Mitteln eine Geschichte erzählen. Hogarths ursprüngliche Geschichte kommt ohne Worte aus, es ist eine graphische Fabel, die der Betrachter deuten muss." Als lineare Profil-Figur, zumeist als Büste, durchwandert Hockneys Held die Szenen des Zyklus. Die markante Physiognomie mit Brille verweist auf den Künstler selbst. Die Realitätsebenen sind durchbrochen: Selbst Erlebtes (die Ankunft in New York), von Hogarth Übernommenes (etwa die "Ehe mit einer alten Jungfer" oder die Anspielungen auf Gefängnis und Irrenhaus) und Albtraumhaftes (wenn der Held z. B. im Rachen eines Ungeheuers verschwindet) sind mit einander verwoben, wobei in der zweifarbigen Radierung lineare und flächig geätzte Elemente interagieren.

1965 veröffentlichte der Künstler, inzwischen nach Los Angeles umgezogen, mit "A Hollywood Collection" eine Folge von sechs farbigen, malerisch anmutenden Lithographien, die er jeweils als Trompe l'oeil (illusionistische Bilder) gestaltete. Als wären es richtige Ölgemälde, versah er sie mit - gedruckten - Rahmen: "Es ist eine Art Jux, eine Art hausgemachter Kunstsammlung, in der ein wenig von allem vertreten ist: ein Akt, etwas Abstraktes, eine Landschaft usw." Der Titel evoziert eine fingierte Gemäldesammlung in Hollywood, eine Art "Kunstbaukasten", in dem die gängigen Genres der europäischen Kunst vertreten sind.

Hockney verbindet in den beiden frühen Folgen, die einen Einblick in sein reiches druckgraphisches Schaffen der sechziger Jahre gewähren, auf stilistisch und inhaltlich unterschiedliche Art kulturelle Zeugnisse und Errungenschaften des alten Europas mit seinen amerikanischen Erfahrungen. Dies geschieht auf eine spielerisch-ironische Art und in einer Formensprache, die im Kontrast mit der amerikanischen Pop-Art traditionell anmutet - diese Überlieferungen aber in vielerlei Hinsicht bricht und verfremdet.

KULTURpur empfehlen