Ein Blick durch ein kleines Loch in der Wand kann manchmal eine ganze Welt eröffnen, von der man nichts geahnt hat und die einen nicht mehr loslässt. Ist es möglich, die Atmosphäre eines Ortes, seine Geschichte und zugleich Zeitlosigkeit in einem Kunstwerk einzufangen?
Mit ATÖLYE präsentiert der Kunstverein Wiesbaden die erste institutionelle Einzelausstellung von Sophia Pompéry in Deutschland. Ihre Arbeiten, die sich durch die Medien Video, Fotografie, Objekt und Installation bewegen, greifen oftmals diffuse Stimmungen und Situationen auf und spielen mit verschlüsselten Motiven, die nach eingehender Betrachtung überraschende Pointen aufweisen. Unter Einbindung physikalischer Gesetzmäßigkeiten evoziert sie ungewöhnliche Perspektiven auf Alltägliches und bringt poetische Prozesse in Gang. Anlässlich eines Aufenthaltsstipendiums, das Sophia Pompéry 2012 nach Istanbul führte, realisierte sie eine Reihe neuer Arbeiten, die eng mit dem Ort der Erfahrung verknüpft sind und im Kunstverein zur Reflexion über Raum und Zeit einladen.
Den atmosphärisch dichten Ausstellungsrundgang eröffnet Sophia Pompéry mit einer Serie von Fotografien, deren Motiv – ein Segelschiff auf dem dunstverhangenen Meer – vielfältige metaphorische Assoziationen zulässt, was durch die Offenheit der Situation, in der das Wo und Wohin unbeantwortet bleibt noch verstärkt wird. Ohne geographische Anhaltspunkte sind auch die Bilder WELTEN konzipiert, übermalte Reliefkarten, die den Betrachter zur eigenen Verortung herausfordern. Die Strukturierung von Raum und Zeit folgt den Erkenntnissen der Physik und gewinnt im Alltag Verbindlichkeit durch regulative Normung. Doch wie reagieren, wenn der Richtigkeit von Gewohnheiten und Parametern plötzlich überraschende Abweichungen gegenüberstehen? ZWEI METER und LITTLE ERRORS loten diese Frage aus. Die raumfüllende Videoinstallation ATÖLYE bedient sich – wie auch die Videoarbeit CIRRUSCUMULUS – der Mittel des Trompe-l’oeil. Aufnahmen aus einer armenischen Stuckateur-Werkstatt, die seit Generationen die Verzierungen der Hässerfassaden Istanbuls herstellt, vermischen sich mit den Klängen der Stadt zu einem Ort, der seltsam nah und doch fern zu sein scheint, schön und melancholisch zugleich. Durchbrochen wird der Rundgang immer wieder durch bewegte Porträts Mustafa Kemal Atatürks, der mal streng, mal ironisch lächelnd, auf den Betrachter blickt.
Sophia Pompéry (*1984 in Berlin) studierte von 2002 bis 2009 an der Kunsthochschule Weißensee bei Karin Sander, Eran Schaerf und als Meisterschülerin bei Antje Majewski. Von 2009 bis 2010 nahm sie am „Institut für Raumexperimente“ von Olafur Eliasson an der Universität der Küste, Berlin teil. Ihre Werke wurden in verschiedenen Gruppenausstellungen im In- und Ausland und in Einzelausstellungen gezeigt, u.a. in der Gitte Weise Gallery Berlin (2010), in der Wozownia Gallery im polnischen Torun (2011) und zu letzt bei ARTER Space for Art in Instanbul (2012). 2011 erhielt Sophia Pompéry den Toni und Albrecht Kumm Preis zur Förderung der bildenden Künste. 2012 war sie Stipendiatin des DAAD Kunstprogramms mit einem sechsmonatigen Aufenthalt in Istanbul. Sie lebt und arbeitet in Berlin und Istanbul.