24.11.2009 - 07.02.2010
Was passiert, wenn Maler langsam malen? Kann Zeit zum Werkstoff der Malerei werden? Welche Folgen hat das für den Betrachter? Diesen Fragen geht die Ausstellung Slow Paintings nach.
Die beteiligten Künstler sind: Tomma Abts, Ross Bleckner, Alighiero e Boetti, Michaël Borremans, Gillian Carnegie, Raúl Cordero, John Currin, Alexander Esters, Bernard Frize, Franz Gertsch, Andrew Grassie, On Kawara, Konrad Klapheck, Jochen Kuhn, Sebastian Ludwig, Michel Majerus, Fabian Marcaccio, Rodney McMillian, Jonathan Monk, Reinhard Mucha, Manuel Ocampo, Roman Opalka, Laura Owens, Magnus Plessen, Ad Reinhardt, Bernd Ribbeck, Adrian Schiess, Pablo Siquier, Andreas Slominski, Cheyney Thompson, Corinne Wasmuht, Ekrem Yalcindag
Slow Paintings konzentriert sich auf Bilder der letzten fünf Jahrzehnte, die ungeachtet der Entwicklung zum ‚schnellen Bild‛ einem komplexen und lang andauernden Entstehungsprozess unterliegen. Ausgehend von einem erweiterten Malerei-Begriff, beleuchtet die Ausstellung 60 Werke von international bekannten 32 Künstlerinnen und Künstlern auf den Aspekt ihrer Zeitlichkeit hin, auf die für sie benötigte Dauer in Produktion und Rezeption.
Bis ins 19. Jahrhundert hinein war die Verfertigung von Gemälden ein äußerst aufwendiger Prozess. Die Herstellung der Pigmente, deren Aufbereitung zu Malfarbe, die Vorbereitung der Leinwand erforderten reichlich Vorlauf. Mit der Industrialisierung der Malutensilien und der Erfindung neuer Farben im 20. Jahrhundert kommt es zu einer erheblichen Beschleunigung des Malvorgangs. Die Suche nach einem Kontrastprogramm zum Tempo und der Effizienz der Moderne führt auf dem Feld der Kunst jedoch auch zu einer Malerei, die in demonstrativer Absetzung von Hektik und Geschwindigkeit den Werkprozess zum komplexen Ritual erklärt: So addiert Ad Reinhardt bis zu hundert lasierte Farbschichten zu einem spektakulären Werk, das aufgrund seiner Fragilität seit mehr als 20 Jahren nicht mehr unverglast ausgestellt war; in seinen frühesten Arbeiten überlagert Bernard Frize 1977 feinste vertikal und horizontal gezogene Ölfarblinien zu massiven Bildkörpern.
Zeit, Existenz und Kunst werden als Teil eines kontemplativen künstlerischen Vorgehens in den Langzeitprojekten von Roman Opalka oder On Kawara untrennbar miteinander verknüpft: Indem jedes Bild die physische und mentale Substanz der (Lebens)Zeit beansprucht, während der es entsteht, macht es Langsamkeit erfahrbar. Gillian Carnegie reflektiert in ihren Bildern zeitliche Verläufe durch das wiederholte Motiv eines verblühenden Blumenstraußes, während Raúl Cordero über eine Woche hinweg jeden Tag dasselbe Motiv malt. Auf seinen Bildern ist der jeweilige Zeit- und Kalorienverbrauch des Malers notiert: ungewöhnliche Kategorien, mit denen Cordero die Bewertung von Kunst nach ihrem Aufwand ironisch hinterfragt.
Einen Prozess von Übersetzungen und Transaktionen setzt der konzeptionell arbeitende Jonathan Monk in Gang: Von einem Bild, das Martin Kippenberger vor der Berliner Mauer zeigt, bestellt er gemalte Kopien bei sieben chinesischen Künstlern – die Autorschaft verliert sich dabei in dem Maß, in dem der Aufwand der Auftragsvergabe und die zeitliche Dauer des Arbeitsprozesses potenziert werden.
Während John Currin bewusst auf die Tradition einer klassischen Tafelmalerei zurück greift, um mit seinen klischeehaft-manieristischen „fiktiven Porträts“ die produktiven Potentiale „schlechter“ Bilder freizulegen, übersetzt Corinne Wasmuht nach einem Monate währenden Prozess des Sammelns das digitale Bilderrauschen mit altmeisterlicher Lasurtechnik in dauerhafte, großflächig ausgebreitete Kompositionen. Sie baut Schicht um Schicht ihre Bildwelten von hinten nach vorn auf, um die Farben wie bei Fernsehbildschirmen oder Kirchenfenstern von hinten leuchten zu lassen.
Eigens für die Ausstellung konzipiert sind zwei in ihrem Entstehungsprozess sehr unterschiedliche Wandgemälde – das eine vor Ort von dem türkischen Künstler Ekrem Yalçindağ ausgeführt, das andere von dem argentinischen Künstler Pablo Siquier am Computer entworfen. Sie überführen die Malerei in räumliche Zusammenhänge.
Slow Paintings erfordern nicht nur die Konzentration und Hingabe des Malers, sie fordern auch den Betrachter: Im besten Fall korrespondiert das ‚langsame Malen‛ mit einer entschleunigten Rezeption, mit Fokussierung und Kontemplation. Wo der Betrachter sich im Nachvollzug der künstlerischen Prozesse der Langsamkeit stellt, erhält er vertiefte Einblicke in die Entstehung dieser Bilder und findet die fortdauernde Innovationsfähigkeit des Mediums Malerei bestätigt.