24.10.2010 - 06.02.2011
Ihre Bilder erzählen uns keine Geschichten und wir erfahren auch nichts über die seelische Befindlichkeit der Malerin. Sachlich und handwerklich perfekt setzt sie Licht und Schatten, arbeitet plastisch das Motiv auf dem weißen Grund heraus. Nichts lenkt vom Dargestellten ab. Es steht monolithisch auf der Leinwand und zeigt uns Dinge des Konsums und der Technik, die seit der Pop Art Eingang in die Malerei fanden. Als Vorlagen dienen nicht selten selbst geschossene Fotos oder Bilder aus Zeitungen und dem Internet. Es gibt umfangreiche Bildserien von schicken Autos und von Geldtransportern, Krankenautos, Straßenreinigungsfahrzeugen, Straßenschildern, Kaffeebechern oder von der Produktpalette des Spielzeugherstellers Schleich - Tiere, Elfen, Schlümpfe, Ritter, Prinzessinnen, Drachen usw. Es ließen sich noch andere Motive nennen, die uns ebenso nichts anderes zeigen als das, was wir aus dem profanen Alltag kennen oder das, was uns fast täglich in Form von bereits gestalteten Bildinformationen (Hinweisschilder, Leitsysteme) begegnet. Manchmal gibt sie dem unbewusst wirkenden, besitzergreifenden Verlangen nach, die realen Dingen in ihrer Originalgröße abzubilden.
Dieser Effekt der Augen- und Sinnestäuschung ähnelt dann dem, den wir von den Stillleben der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts kennen: Man möchte nach den Gegenständen greifen und staunt, mit welcher Meisterschaft die Maler die Realität anhalten und sie zu verdoppeln mögen. Aber ebenso finden wir surreal überdimensionierte Darstellungen von Piktogrammen des Ver- und des Gebots oder von einem PC-Keyboard, die uns sekundenlang rätseln lassen, was denn das wohl sei. Diese Prinzipien des "Eins zu Eins" und der "Vergrö-ßerungen" sind natürlich nicht anzuwenden, wenn es sich um Flugzeuge, Schiffe oder um Schnellzüge handelt. Hier deutet die Malerin den Realitätsbezug an, indem sie mehrere Leinwände zu riesigen Formaten zusammensetzt, um uns dann doch "nur" Ausschnitte oder Verkleinerungen vorzuführen - und so die wahren Dimensionen in Erinnerung ruft.
In der Spätrenaissancehalle des Museums Junge Kunst zeigt sie großformatige Bilder von unterschiedlichen Mannschaftszelten. Sie wurden extra für die Exposition gemalt, denn wie so oft, wenn sie ein neues Ausstellungsangebot erhält, möchte sie sich mit einer vollkommen neuen Bildserie dem Publikum vorstellen.
Die Malereien entstanden mit handelsüblichen Industrielackfarben auf den riesigen Leinwänden, die dann auf die Stellwände der Ausstellungshalle gespannt wurden. So werden die technischen Einbauten zu Bildobjekten und geben der altehrwürdigen Rathaushalle einen eigenwilligen Charakter von einem konzeptionell gestalteten Kunst-Raum. Der Betrachter schreitet die Bilder ab, sieht eine Malerei die uns in ihrer radikalen Vortragsweise in den Bann schlägt. Monochrome Flächen wechseln sich mit differenziert gestalteten Partien ab und Farbmodulationen innerhalb eines angeschlagenen Tones stehen im Kontrast zu harten Licht- und Schattenflächen. Je nach Position des Betrachters nimmt er gegenstandlose, mit coolem Pathos und hehrem Kalkül gearbeiteten Bildteile wahr - oder eben, ganz im Verständnis postmoderne Dekonstruktion und surrealem Esprit, die Porträts von Zelten, die Behausungen für die nichtanwesenden Nutzer sein können oder auf sich selbst verweisen. Die Malerin kommentiert im zur Ausstellung erschienen Flyer kurz und knapp.“ – ein mehrmonatiges Lager, in dem mehrere Bilder provisorisch untergebracht sind. – was auf den Malereien zu sehen ist, ist nicht benannt. – der Gegenstand, an den uns die Fläche erinnert, scheint benennbar. – die Malereien sind Nebenpro-dukte der Industrie durch ihre Farbe/Lackfarbe. – sie nehmen Raum weg, anstatt ihn zu geben.“ Auch die Titel der Bilder legen eine falsche Fährte, bzw.
PICT ISOTYPE ALTHAUS, 2009; 300 x 200 cm;
in Lack/Leinwand; Foto: Bernd Borchardt
bestreiten den Pfad einer Metaebene, der unserem Blick nicht weiter hilft, vielmehr eine geistige Verunsicherung anstrebt und das Sichtbare mit den Gesehenen in mindestens zwei Ebenen verortet wissen will. Zum Beispiel erhielt die riesige Leinwand mit den Maßen von 330 x 620 cm den schönen Titel "Tent LÂ’atelier du peintre", was so viel heißt wie "Das Atelier des Malers" und sich auf ein kunsthistorisch bedeutendes, und für den Begründer des Realismus, Gustave Courbet, programmatisch zu verstehende Bild bezieht. Was das Eine mit dem Anderen zu tun hat, kann man ergründen oder als rätselhafte Dimension einer Malerei akzeptieren, die den Raum in ein temporäres Kunst-CAMP verwandelt.
Im hochgotischen Festsaal zeigt Tatjana Doll eine Bildserie mit den kraftvollen Variationen des allseits bekannten Piktogramms auf die Gestalt eines Menschen. Auch dort nimmt der Besucher am Abenteuer einer Malerei teil, die auf den ersten Blick etwas eindeutig meint, um es vielleicht beim zweiten sofort zu verneinen.