Die sich in Ausstellungsräumen und Büchern entfaltenden Bildkosmen des Fotografen Jochen Lempert berichten auf ungewöhnlich poetische Weise vom Miteinander unterschiedlicher Lebensformen. Zugleich sind sie komplexe Auseinandersetzungen an den Schnittstellen zwischen Fotografie- und Wissenschaftsgeschichte. Die Garage des KUNST HAUS WIEN ist mit der fotografischen Position von Jochen Lempert erneut der Fotografie im Themenkreis von Ökologie gewidmet.
Seit mehr als 25 Jahren untersucht der Biologe und Fotograf Jochen Lempert die wechselseitigen Beeinflussungen menschlicher, tierischer, pflanzlicher und mikroorganischer Lebensformen und sucht nach Möglichkeiten, diese abzubilden. Dabei greift er häufig auf fotografische Verfahren zurück, die in der Wissenschaftsfotografie des 19. Jahrhunderts zur Anwendung kamen, sich in jenen Jahren auch bei Amateuren großer Beliebtheit erfreuten und in der surrealistischen Fotografie im Sinne der Subversion des Faktischen wiederaufgenommen wurden. So sehr er damit einerseits jenseits einer technisch hoch aufgerüsteten Fotografie steht, so sehr ist er andererseits strengstens der fotografischen „Spur“ verpflichtet. Fotografie ist für ihn schlicht Dokumentationsmedium von Bewegung und Veränderung und ist für ihn Rekonstruktion, Entwicklung und Demonstration von Zusammenhängen.
Das Lempert’sche Werk setzt eine hohe visuelle Poesie frei. Mit und ohne Kamera produziert er Bilder von Pflanzen, Tieren und Erscheinungsformen der Elemente, von städtischen Situationen und zivilisatorischem Inventar. Die Bilder existieren als luftgetrocknete und daher häufig leicht wellige, zumeist rahmenlos präsentierte, schwarzweiße Barytpapiere. Ihre Korrespondenzen legen Spuren in biologische und kulturhistorisch-zivilisatorische Fragestellungen: Die formale Analogie, die etwa das Bildpaar Belladonna zwischen dem Auge des Eichhörnchens und der Frucht der Tollkirsche ins Bild setzt – was schwingt hier mit an Möglichkeiten zwischen dem Tier, der Pflanze und den Blicken der Betrachtenden.
Jochen Lempert (*1958, lebt in Hamburg) studierte Biologie und arbeitete in den ausgehenden 1980er-Jahren gemeinsam mit KünstlerkollegInnen an Experimenten zur Vergänglichkeit filmischen Materials.