08.10.2010 - 21.11.2010
Mit Arbeiten von Sylvia Ballhause, Oscar Bony, Erik Kessels & Ria van Dijk, Agnès Geoffray, Jean-François Lecourt, Christian Marclay, Émilie Pitoiset, Niki de Saint Phalle, Roman Signer, Rudolf Steiner, Patrick Zachmann und vielen bekannten und anonymen Helden des Rummelplatzes.
In den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg tauchte eine kuriose Attraktion auf den Jahrmärkten auf: der Fotoschuss. Traf ein Schütze in die Mitte der Zielscheibe, löste er eine fotografische Apparatur aus, die ihn augenblicklich und in voller Aktion festhielt. So gewann er anstelle eines großen Luftballons ein Portrait von sich, das ihn beim Schießen zeigte.
Ausgehend von diesen faszinierenden Bildern begann Clément Chéroux, Kurator für Fotografie am Centre Pompidou in Paris, die Geschichte dieses erstaunlichen Verfahrens nachzuzeichnen, von seinen populären Gebrauchsweisen auf den Schießbuden der Rummelplätze, über die Faszination vieler damaliger Intellektueller bis hin zu seiner Wiederaneignung und Umfunktionierung durch die Künstlerinnen und Künstler von heute. So ist in der Ausstellung eine berührende Serie zu sehen, die der niederländische Agenturleiter und Künstler Erik Kessels veröffentlicht hat: über 60 Fotografien zeigen das Älterwerden einer Frau, Ria van Dijk, die sich seit 1936 am Schießstand auf diese Weise porträtiert.
Unter den vielen zeitgenössischen Positionen, die die Analogie von Fotografieren und Schießen untersuchen, präsentiert die Ausstellung vor allem jene Arbeiten, die das besondere, "existentielle" Spiel des Fotoschusses vom Rummel wiederaufgreifen: es geht genau um jene Geste, auf denen die Schützinnen und Schützen sich selbst anlegen und somit auch den Betrachter ins Visier nehmen, obschon es erst ihr Schuss ist, der das Bild hervorbringt.
Einen besonderen Exkurs innerhalb dieser der Ausstellung stellt die Video-Ton-Installation "Crossfire" von Christian Marclay dar: ein Sampling aus Hollywoodfilmen, die genaue jene Momente zusammenschneidet, in denen die Akteure auf der Leinwand auf die Zuschauer im Kinosaal zu zielen beginnen. Die furiose Montage versetzt über 8:27min den Besucher in ein visuelles Kreuzfeuer von allen Seiten und liefert zugleich auf akustischer Ebene ein atemberaubendes Percussion-Solo.
Am Ende der Ausstellung haben die Besucher dann die Möglichkeit, an einem Fotoschießstand ein Porträt von sich selbst zu erzielen. Nicht zuletzt freut sich das Museum für Photographie Braunschweig zur Eröffnung des raumLABORS, der neuen Ausstellungshalle für Kunst unter Leitung der HBK Braunschweig, eine explosive Ausstellung beitragen zu können.