Als Übersetzung von Raum in Fläche, als miniaturisierte Wiedergabe von Gegenständen und Räumen zwischen den "Dingen" transformiert die Fotografie die äußere Wirklichkeit in ein zweidimensionales Bild. Diese einfache Annahme fotografischer Realitätskonstruktion reicht schon lange nicht mehr aus, um die fotografischen Praxen zeitgenössischer Künstler passend zu beschreiben. Stattdessen stellen zeitgenössische Künstler diesen Grundsatz auf den Prüfstand und loten bildnerisch aus, wie sich in der Umkehrung und Erweiterung dieser Annahme fotografisch neue Raumerfahrungen kreieren lassen.
Hierbei entwerfen sie fotografische Räume, welche von der physischen Begrenztheit des Bildes abrücken, die imaginäre Räume "real" werden lassen oder die subjektive, verinnerlichte Raumerfahrung als „Atmosphäre“ greifbar machen. Die drei in Die vierte Dimension präsentierten Fotografinnen Christine Erhard, Katharina Kiebacher und Susa Templin zeichnen sich hierbei durch einen überaus innovativen und experimentierfreudigen Umgang ihrer künstlerischen Untersuchungen an der Schnittstelle zwischen fotografischem und realem Raum aus.
Die Ausstellung präsentiert Arbeiten, die eine andere Auffassung von Fotografie und dem von ihr thematisierten Umgang mit dem Raum beschreiben: Statt der Transformation von Raum, Gegenstand und Architektur in die Flächigkeit des fotografischen Bildes, lassen die Künstlerinnen die Fotografie räumlich werden, inszenieren und dramaturgisieren Raum und Bildfragmente in fluiden Formen. Christine Erhard, Katharina Kiebacher und Susa Templin kreieren hierbei Objekte, die bewusst an der Schnittstelle von Fotografie, Skulptur und Installation agieren. Ihre Arbeiten lassen sich nicht mit üblichen Genrebeschreibungen zusammenfassen.
Christine Erhard reflektiert in ihrer künstlerischen Arbeit die Formensprache konstruktivistischer Architektur des frühen 20. Jahrhunderts. In Anklang an die Konkrete Fotografie lösen ihre Fotografie architektonische Formen auf und täuschen zugleich die optische Illusion einer kohärenten Raumbeziehung vor. Ihre fotografischen Raumcollagen irritieren so gezielt die Interpretation des Betrachters und lassen die Grenzen zwischen Modell, realem Raum und der zweiten Wirklichkeit des Bildes verschwimmen. Susa Templin hingegen lässt die Fotografie räumlich werden und bildet assoziative Erinnerungsorte, deren Raumgrenzen und Erscheinungsformen sich einer festen Form entziehen. Katharina Kiebacher wiederum fängt fotografische Fassaden und Oberflächenstrukturen ein, die sie anschließend in abstrakte Kompositionen und Objekte transformiert. Als Hybridformen zwischen Bild und Skulptur laden die präsentierten Arbeiten dazu ein, die Verwendung der Fotografie im künstlerischen Kotext neu zu denken.
In der Ausstellung Die vierte Dimension wird die Fotografie somit selbst zum "raumgreifenden" Element. Es ist die Übersetzung von Raum und Architektur in ein zweidimensionales Bild, das wiederum in installativen Arbeiten zum dreidimensionalen Objekt wird, welches sich zwischen flächigem Ornament, räumlicher Illusion und skulpturaler Installation bewegt. Für die Ausstellung im Museum für Photographie Braunschweig wurden eigens neue Arbeiten von den Künstlerinnen entwickelt und angefertigt, die erstmals einer breiten Öffentlichkeit präsentiert werden.