Ein "Kanon" ist ein Kunstwerk, das für die jeweilige Epoche allgemein als am einflussreichsten betrachtet wurde. Ein charakteristisches Phänomen in der Entwicklung der Geschichte der chinesischen Malerei und Kalligraphie ist, dass chinesische Künstler stets durch das Imitieren klassischer Werke lernen. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie keine eigene Kreativität und Originalität vorzuweisen gehabt hätten; was sie vielmehr auszeichnete, war, den Kanon alter Meister zum Vorbild zu nehmen, durch das Kopieren lernten sie in deren historischen Stilen zu malen und auf dieser Basis schließlich ihren eigenen, ganz persönlichen Stil zu kreieren.
Man könnte dies auch als einen Generationskampf alter Meister versus heranwachsende Künstler verstehen. Die alten Meister prägenden jeweiligen Kanon, die jungen Künstler folgen ihren Schemata und Technik, um ihnen erst zu ähneln, sie aber im folgenden Schritt zu transzendieren und schließlich selbst anerkannte Meister zu werden. Auf diese Weise vollzieht ein Kanon eine ständige Wiedergeburt und dauerhafte Verwebung in der chinesischen Kunst.
Die Ausstellung richtet den Fokus auf diese spezifische Praxis in der chinesischen Malerei und Kalligraphie anhand ausgewählter Meisterwerke der ostasiatischen Sammlung des Museums für Asiatische Kunst, um diesen faszinierenden Lernprozess zu veranschaulichen.