So bekannt die Bilder des beliebten Berliner Zeichners Heinrich Zille (1858-1929) sind, so unbekannt ist das Kapitel seiner Wirkungsgeschichte im 'Dritten Reich'. In den ersten Jahren als "sozialistischer Volksschädling" diffamiert, wurde Zille ab 1936/37 zu einem völkischen Künstler des Nationalsozialismus verfälscht und instrumentalisiert.
Zensur und Willkür stehen, was das Zille-Werk betrifft, im Nationalsozialismus nah beieinander. Zahlreiche Widersprüche lassen den Rückschluss zu, dass das Vorgehen gegen Zilles Werk vom Propagandaministerium und der Reichskulturkammer weder einhaltlich geplant noch durchgeführt wurde.
Anders als zu vermuten wäre, wurden weder Bücher Heinrich Zilles 1933 bei der Bücherverbrennung vernichtet noch seine Arbeiten auf den Femeausstellungen gezeigt. Einige Bücher wurden verboten, andere zensiert und - ebenfalls überraschend - 'nur' eine Zeichnung wurde nachweislich aus einem Museum beschlagnahmt. In den ersten Jahren wurde Zille in einem Atemzug mit Käthe Kollwitz diffamiert - nach 1936 fand jedoch eine Umdeutung seines Werkes statt, die belegt, wie beliebig und gleichzeitig subtil mit einem künstlerischen Werk umgegangen wurde.
Die Sonderausstellung zeigt, welche Werke Heinrich Zilles zensiert, beschlagnahmt oder verboten wurden und beleuchtet die Struktur der nahezu gleichzeitigen propagandakonformen Umdeutung und Vereinnahmung. Sie beruht auf den Forschungsergebnissen von Pay Matthis Karstens, der anhand von neuem Archivmaterial die Wirkungsgeschichte Zilles im Nationalsozialismus aufzeigt.
Erstmals seit 45 Jahren werden in dieser Ausstellung aus der Sammlung Axel Springer zwei der Glasfenster von Heinrich Zille gezeigt, die sich ursprünglich in der Zille-Klause befanden. Sie waren zuletzt 1968 im Berlin-Museum, Mitte (heute Jüdisches Museum) ausgestellt/ der Öffentlichkeit zugänglich.