21.07.2011 - 06.11.2011
Mit dieser Sonderschau will das Museum August Kestner versuchen, das Unausstellbare ausstellbar zu machen: nämlich seine Besucher mit denjenigen Objekten der ägyptischen Sammlung bekannt machen, die nicht mehr existieren.
Als 1889 das heute Museum August Kestner genannte Haus am Friedrichswall als erstes Museum der Stadt Hannover eröffnete, konnten auch knapp 1000 altägyptische Objekte gezeigt werden, damals nach Berlin die größte Sammlung ägyptischer Kunst in Deutschland! Dieser im Großteil von August Kestner (1777-1853) in Italien erworbene, für eine Privatsammlung des 19. Jahrhunderts außergewöhnlich reiche Bestand an Aegyptiaca erfuhr 1935 durch den Ankauf von 1500 ägyptischen Stücken aus der Privatsammlung des ehemaligen Münchner Ägyptologie-Professors Friedrich Wilhelm Freiherr von Bissing (1873-1956) eine sensationelle Steigerung. Sie für Hannover zu gewinnen, war nur deshalb möglich gewesen, weil der damalige Museumsdirektor, der Ägyptologe Carl Küthmann (1885-1968, Museumsdirektor 1920-37 und 1945-51), mit seinem Kollegen von Bissing eng befreundet war. Als Ägyptologe ist Küthmann heutzutage weitgehend vergessen, er erscheint nicht einmal im "Who was Who in Egyptology". Seine Verdienste um das Museum sind jedoch als außerordentlich zukunftsweisend einzustufen.
Die 1935 neu ins Museum gelangten Objekte der Sammlung von Bissing wurden sofort auf Glasnegative aufgenommen, die sich noch heute im Fotoarchiv des Museums befinden. Sie sind ein großer Schatz, denn besonders die ägyptische Sammlung des Museums musste unter dem Zweiten Weltkrieg und den anschließenden Wirrzeiten ganz besonders leiden. Mit 734 Objekten, also knapp einem Drittels des Bestandes, waren die ägyptischen Verluste so hoch wie in keinem anderen Bereich des Museums. Viele der zerstörten und verlorenen Objekte sind jedoch dank der Fotos so gut dokumentiert, dass sie dadurch nicht nur der Wissenschaft erhalten geblieben sind und von ihr in vollem Umfang ausgewertet, sondern auch einmal den hannoverschen Museumsbesuchern gezeigt werden können.
Die Ausstellung und ihre Begleitpublikation werden nicht nur kurz die Entstehungsgeschichte dieser ganz besonderen Sammlung von altägyptischen Objekten und ihre schmerzlichen Verluste beleuchten, sondern auch all die weitsichtigen Persönlichkeiten vorstellen, die sich für die Existenz eines bis heute international bedeutenden "Ägyptischen Schatzes" in Hannover engagiert haben. Ausstellung und Buch sind das Ergebnis von langjährigen Recherche-Arbeiten über Herkunft und Verbleib von altägyptischen Objekten in Hannover.
Provenienzforschung, also die eingehende Recherche über den ins Museum genommenen Weg von Objekten, wird inzwischen intensiv in Museen und Sammlungen Deutschlands betrieben, um der Herkunft und dem rechtmäßigen Erwerb von Sammlungsgegenständen - ganz besonders in der Zeit des Nationalsozialismus - nachzugehen. Mit der Ausstellungsbegleitpublikation wird nicht nur das spannende aus Privatsammlungen und besonders engagiertem Bürgersinn heraus entwickelte werden der ägyptischen Sammlung dokumentiert. Das Museum August Kestner legt mit ihr auch den ersten Band eines Verlustkataloges seiner Bestände vor, so wie es viele bedeutende Museen Deutschlands bereits getan haben bzw. im Begriff sind vorzubereiten.