Fast täglich hat der Lagenser Schulrat Fritz Geise während des Ersten Weltkriegs die Ereignisse in seiner Heimatstadt festgehalten. In vier Jahren entstanden zwei Kladden mit 300 beschriebenen Seiten, ergänzt um Fotos und andere Dokumente aus der Heimat und von der Front, die ihm ehemalige Schüler zuschickten. Eine Auswahl dieser Tagebucheinträge präsentiert der Landschaftsverband Westfalen-Lippe seit Sonntag, 19. Oktober, unter dem Titel „Der Krieg in der Provinz“ im Ziegeleimuseum in Lage.
Fritz Geise (1871-1966) übernahm 1893 eine Stelle als Volksschullehrer in Lage. 1922 übertrug man ihm die Aufsicht über das Berufsschulwesen in Lippe und als Mitglied der DDP gehörte er von 1926 bis 1930 dem Landespräsidium in Detmold an. Aufgrund seiner Parteizugehörigkeit und seiner angeblichen Nähe zur SPD wurde er 1933 in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Er protestierte heftig dagegen und betonte zugleich seine nationale Gesinnung.
Er begann im Juli 1914, alle wichtigen Ereignisse und deren Resonanz wie Siegesjubel, Angst und Trauer sowie Beschwernisse des Kriegsalltags in einem Protokollbuch festzuhalten und unterfütterte seine Berichte mit Dokumenten, wie Bezugsscheinen, Flugblättern, Feldpostbriefen und Fotografien. Geise war sich der Bedeutung des Krieges bewusst und sah es als seine Aufgabe an, seine Beobachtungen für die Nachwelt festzuhalten. Er versuchte, sich mit den Informationen, die ihm zugänglich waren, eine eigene Meinung zu bilden. Er beobachtete das Geschehen in Lage sehr genau, verlor dabei aber die Gesamtsituation des Krieges nie aus dem Blick.
„Geise beschreibt sehr bewegend und emotional wie sich das gesamte Leben einer Bevölkerung auf den Krieg einstellte, womit sich die Menschen in der Heimat beschäftigten und gedanklich auseinandersetzten, wie sich über die Zeit die Stimmungen in der Bevölkerung und ihre moralischen Werte veränderten“, erklärt Museumsleiter Willi Kulke. Man feierte Siege, aber die Sorge um Angehörige, Tod und Trauer waren ständig präsent.
Das Familienleben fand weitgehend ohne Männer statt. Frauen traten als Arbeiterinnen und Erzieherinnen an die Stelle ihrer eingezogenen Männer und Söhne, die Kinder und Jugendlichen blieben überwiegend sich selbst überlassen. Auch die Inhalte des Schulunterrichts dienten der Bewältigung des Alltags und der positiven Einstimmung der Schüler auf den Krieg.
Trotzdem macht Geise auf einen Anstieg an Diebstählen und Schwarzhandel aufmerksam, je mehr Güter rationiert werden. Geise beendete seine Aufzeichnung am 29.12.1918 mit der Beschreibung einer Begrüßungsfeier für die heimgekehrten Soldaten.