01.12.2012 - 03.02.2013
Die kubanische Künstlergruppe Los Carpinteros (Die Schreiner) verbindet in virtuosen Zeichnungen und raumgreifenden Skulpturen freie und angewandte Kunst auf intelligente wie humorvolle Weise zu visuellen Allegorien der Gegenwart. Handwerkliche Herstellungsprozesse und die bevorzugte Verwendung von Holz in den 1990er Jahren führten zum Namen des zunächst als Trio und seit 2003 als Duo agierenden Künstlerkollektivs Marco Castillo (*1971) und Dagoberto RodrÃguez (*1969).
In den Werken von Los Carpinteros fließen Architektur, Design und Skulptur überraschend, oft auch ironisch ineinander. Mit der Zusammenführung von privatem Raum und öffentlicher Sphäre, von alltäglichem Gebrauchsgegenstand und städtebaulicher Architektur kommentieren sie Politik und Gesellschaft.
Die Geschichte und gesellschaftliche Gegenwart Kubas ist ein wiederkehrendes Thema ihrer Arbeiten. So vereinen sie unter dem Titel »National Liberation Movement« einen Barbecue-Grill, das Symbol US-amerikanischer Lebenskultur, mit der Form des fünfzackigen kubanischen Revolutionssterns oder schrumpfen Hochhausarchitekturen Havannas wie beispielsweise die Russische Botschaft - Symbol ehemaliger Sowjetmacht - zu funktionalen Schubladenschränken.
Umkehrung, Transformation und Mutation gehören zu den künstlerischen Strategien des Duos. Architekturen werden zum funktionalen Objekt, Alltagsdinge zu Architekturen. Vertraute Eigenschaften verschwinden, feste Körper verflüssigen sich, Form und Funktion treten in produktiven Widerspruch - und dies mit einer verblüffenden Leichtigkeit. Dekonstruktion ist nicht künstlerisches Ziel, sondern Voraussetzung, um die Welt aus ihren Kausalbeziehungen zu lösen und neu zusammenzusetzen: wenn zum Beispiel ein Bett zum Autobahnkreuz oder zur Achterbahn mutiert, verbindet sich die rastlose öffentliche Mobilität mit privater Ruhe und verwandelt sich so das Reich des heimelig Geborgenen in einen belebten Verkehrsknotenpunkt oder eine Adrenalin angereicherte Vergnügungsfahrt. Entspannte Freizeitaktivitäten verschmelzen im Modell eines Swimmingpools in Form eines Flugzeugträgers mit militärischen Operationen und irritieren als Hybrid aus widersprüchlichen Botschaften. Los Carpinteros überführen das Vertraute in einen Zustand paradoxer und teils surrealer Bezüge, die gegebene Strukturen der Welt in Frage stellen.
Eine schier endlose Kleiderstange mit schwarzen Männersakkos und dem nüchternen Titel »16 m« entpuppt sich schnell als doppelbödige Inszenierung. Ein Loch jeweils in Brusthöhe verläuft tunnelartig durch die Kleidungsstücke und verfremdet sie seltsam. Was zunächst wie elegante Herrenkleidung wirken mag, erscheint im nächsten Moment als uniforme Massenware und veranlasst unwillkürlich zur Frage, ob die Ursache für das Loch ein Schädling, eine gezielte Verletzung oder eine ausgefallene Designidee ist.
Mit kritischem Unterton und humorvoller Leichtigkeit erzeugen Los Carpinteros in ihrem zeichnerischen und skulpturalen Werk ein raffiniertes Netz an Ambivalenzen zwischen Objekt und Funktion, aber auch zwischen Sprache und Bedeutung. So evoziert eine zerfließende Conga-Trommel mit dem Titel »Mucho Caliente - Much Hot« einerseits lateinamerikanische Klischees von heißen Rhythmen, andererseits ironisiert sie touristische Sprachprobleme.
Der Kunstverein Hannover zeigt die erste umfassende Einzelausstellung von Los Carpinteros in Deutschland. Sie entsteht in Zusammenarbeit mit dem Kunstmuseum Thun, Schweiz.