Der kanadische Künstler Brian Jungen (*1970), ein Nachfahr des nordamerikanischen Ureinwohnerstamms der Dane-Zaa, thematisiert in seiner künstlerischen Arbeit mit einer ebenso ungewöhnlichen wie eindrücklichen Bildsprache das Verhältnis von indigener und globaler Kultur. In großformatigen Skulpturen und Installationen verwandelt Jungen Gegenstände westlicher Lebens- und Konsum- oder Unterhaltungskultur in traditionelle Objekte indianischen Lebens. So besteht eine Serie in althergebrachter Handwerksmanier gefertigter Trommeln aus ursprünglich industriell erzeugten Sesseln (»Walking Heart«, 2011; »My Decoy«, 2011). Nicht weniger faszinierend ist die Werkgruppe riesiger Totempfähle, die aus Golftaschen produziert wurden.
Eine Serie gewebter Decken aus Basket- oder Baseballteamkleidung als Ausgangsmaterial enthält gleich einen weiteren Bedeutungsverweis, beziehen sich die Mannschaften mit Namen wie Indians oder Red Skins doch oft auf das Klischeebild des »wilden« Indianers. Der Strategie der Zweckentfremdung geht der Prozess der Dekonstruktion voraus. So besteht ein riesiges Tipi (»Furniture Sculpture «, 2006) aus dem Leder zuvor »skalpierter« Wohnzimmersofas.
Im Kern von Jungens Überführung von Kultobjekten westlicher Konsum und Unterhaltungskultur in die Formensprache kultischer Gegenstände steht eine kritische Auseinandersetzung und Gegenüberstellung von indianischer Tradition und westlichem Wertesystem, ohne dabei eine Bewertung vorzunehmen. Dem kanadischen Künstler geht es nicht um die Reanimation einer marginalisierten Bildsprache und Symbolik, sondern um die Befragung kultureller Stereotypen und Produktionsbedingungen im Zeitalter globaler Vernetzung.
Auf ironische wie hintergründige Weise vermischen Jungens Skulpturen das Vokabular des zeitgenössischen wie traditionellen Kults. Ausgehend von Massenprodukten des globalen Alltags, deren Fragmentierung und Neuzusammenstellung, entwickelt Jungen unzählige Spielarten der Transformation und verdeutlicht, dass Bilder ihre Macht aus Realität, Klischee und Projektion zugleich beziehen. Jungens vielschichtige Arbeiten sind Symbiosen des Unvereinbaren, hintersinnige Kontextverschiebungen, die die Grenzen zwischen ethnologischem oder naturkundlichem Anschauungsobjekt und Warenfetischismus, mythologischem Symbol und billigem Massenprodukt lustvoll überwinden.
Brian Jungen nahm 2012 mit einer ortsspezifischen Installation an der documenta (13) teil. Die Ausstellung im Kunstverein Hannover konzentriert sich auf neuere Arbeiten im Werk von Jungen ab 2006 und wird in Kooperation mit dem Bonner Kunstverein produziert.