11.09.2010 - 16.01.2011
Die gemeinsame Ausstellung der Kunsthalle Düsseldorf und des Kunstvereins für die Rheinlande und Westfalen zeigt ausgewählte Werke internationaler Künstlerinnen und Künstler, die sich explizit auf Marcel Broodthaers beziehen oder im Sinne einer Weiterentwicklung Motive seines ÂŒuvres aufgreifen. Schon zu Lebzeiten ein überaus einflussreicher Künstler seiner Generation, wird Broodthaers auch von heutigen Künstlern produktiv rezipiert. Die ungebrochene Aktualität seines Werkes macht dieses zur Referenz zahlreicher zeitgenössischer Arbeiten, die sich mit seiner Bildtheorie und den Themen seines ÂŒuvres auseinandersetzen: der Hinterfragung der Institution Museum, der Beschäftigung mit Imagination und Schein als Demontage des Kinobildes, dem Verhältnis von Sprache, Schrift und Bild. Auch Überlegungen, die viel später unter dem Thema der Institutionskritik verhandelt wurden, finden sich in Broodthaers' Werk, dessen radikale wie wegweisende Qualität ungebrochen ist.
In seiner Installation Has the film already started? projiziert Cerith Wyn Evans einen Film auf einen weißen Heliumballon. Dieser Film, der Avantgarde-Klassiker L'Anticoncept, ist jedoch nicht als solcher zu sehen, denn er wurde allein als heller Lichtstrahl des Kinoprojektors aufgenommen, so dass der Eindruck einer abstrakten, an eine Sonnenfinsternis erinnernden Figuration entsteht. Den Soundtrack hat Wyn Evans durch eine eigene Komposition ersetzt, die Vogelstimmen mit einem Interview mit Broodthaers kombiniert. Auch die Palmen, die den Ballon umgeben, sind die gleichen, die Broodthaers in zahlreichen seiner Installationen verwendet hat.
Anderen Künstler wie Olivier Foulon geht es nicht um das Produzieren von objekthaften Werken, sondern um das Akzentuieren und Neu-Verhandeln bereits existierender visueller Produktionen, in der Zurschaustellung von Bildern aus Bücher und Katalogen etwa in der Form von Diaprojektionen. Dabei beschäftigt Foulon unter anderem die Differenz in der Darstellung eines Kunstwerkes in einem Künstleratelier und der innerhalb eines institutionellen Rahmens ähnlich Broodthaers' kritischer Einstellung gegenüber dem institutionalisierten Umgang mit Kunst.
Henrik Olesen entwickelt diesen institutionskritischen Ansatz weiter. Seine Collagen, Installationen und architektonischen Interventionen sind kontinuierliche Untersuchungen von Geschlechts- und Identitätskonstruktionen wie sie von (Kunst-)Institutionen fortgeschrieben werden und enthüllen gesellschaftliche Konventionen als Folge von politisch motivierten Kategorisierungen und Ausschlussmechanismen. In Verwendung konzeptueller Strategien legt er die Konstruktion von Wirklichkeit, insbesondere von Geschichtsschreibung offen.
Kirsten Pieroths Interesse gilt den Möglichkeiten, mit denen sich Alltagsobjekte, Situationen und Wahrzeichen kultureller Produktion anders repräsentieren lassen, als unsere Erfahrung oder Gewohnheit es lehrt. Durch Aneignung, Umdeutung und Dislokation von Bestehendem, visualisieren ihre Arbeiten multiple Lesarten dessen, war wir gemeinhin nicht hinterfragen. Mit scharfsinnigem Humor und einfachen Mitteln verweist Pieroth auf die Konstruiertheit der Dinge und schafft wie Broodthaers neue Ordnungssysteme, die die Sinnhaftigkeit der alten in Frage stellen. Aber auch das Spiel mit der Zeichenhaftigkeit der Sprache, mit Bedeutungen, die Dingen in Begriffssystemen zugewiesen werden, verbindet ihre künstlerische Praxis mit der des belgischen Künstlers.
Zeitgenossenschaft vermittelt sich bei dieser Ausstellung im Sinne des Quadriennale-Themas „Kunstgegenwärtig" als Genealogie der Gegenwart und in Werken, die sich in ihren Referenzen zu ihrem historischen Impulsgeber bekennen und diesen dadurch selbst in seiner Abwesenheit aktualisieren.