27.06.2009 - 23.08.2009
Achim Heidemann ist als Künstler Autodidakt und gehört zu jenen, die das künstlerische Parkett Jenas über Jahrzehnte als Künstler, kritischer Beobachter, Rezensent und leidenschaftlicher Sammler mitbestimmt und mitgestaltet haben
Anlässlich seines 80. Geburtstages würdigen wir Werk und Wirken des stets den aktuellen Tendenzen der Kunst aufgeschlossenen Zeitgenossen mit einer Retrospektive, die alle Bereiche seiner breit gefächerten Arbeit vorstellt. 1929 in Leipzig geboren studierte Achim Heidemann nach dem Krieg zunächst Chemie, Physik und Pädagogik und tritt ab 1950 im Jenaer Kreis um Karl Mentzel mit ersten künstlerischen Arbeiten in Erscheinung. In einem Fernstudium der visuellen Gestaltung an der Hochschule für industrielle Formgestaltung in Halle, Burg Giebichenstein, schult er nicht nur seine kunsthistorischen Kenntnisse, sondern auch die eigenen künstlerischen Möglichkeiten. Von Beginn an galt sein lebhaftes, nach Ausdruck strebendes Interesse, vor allem jenen Grenzbereichen, die zwischen Bild, Wort und Objekt pendeln und landläufige Sehgewohnheiten mit ungewohnten Einsichten zu überraschen wissen. Über viele Jahre brachte sich Achim Heidemann auch als Theoretiker durch Lehrveranstaltungen und Vorträge in das Jenaer Kunstgeschehen ein, bevor er in den 1980er Jahren als künstlerischer Leiter der „Galerie im Foyer” im Volkshaus auch als Kurator tätig wurde. Seine eigenen Werke konnte Heidemann ab 1953 in zahlreichen Ausstellungen in- und außerhalb Thüringens zeigen.
Sein bildnerisches Werk ist vor allem durch Collagen und Assemblagen geprägt. Heidemann erweist sich als Sammler und Jäger; als Einer, der aus dem, was der Alltag an gebrauchten und überflüssigen Dingen „abwirft”, seine Werke schafft. Er montiert diese und wird damit – gewollt oder ungewollt – zum Chronisten und Kritiker unserer Zeit. Im Unscheinbaren, Weggeworfenen und Aus rangierten wohnt immer ein subversives, gesellschaftskritisches Potenzial, dessen sich bereits die Künstler von Dada bis zur Arte Povera bedienten. Auch Heidemanns Intention geht weit über die Ästhetik des Materials hinaus: er sammelt und ordnet den „Abfall” mit System und reiht die Dinge mit genau jenen notwendigen Brechungen, die dem Ganzen erst die Spannung geben. So bleiben gebrauchte Papiere gerade als Versatzstücke geheimnisvolle Unbekannte und sind wegen ihrer bruchstückhaften Wortbotschaften oder ihrer grafischen Erscheinung im Mikrokosmos des neu geschaffenen Werkes willkommen. Achim Heidemann gehört nicht zu jenen, die aus dem Kaffee satz den Lauf der Dinge herauslesen; er zitiert uns und unsere Zeit mit Zeitschrif ten, Fahrkarten, Fla schendeckeln oder Kronkorken und überlässt dem Betrachter den Schluss zum Ganzen. Viele seiner Assemblagen sind wie Leimruten, an denen man gern und mit wachsender Neugier kleben bleibt.
Achim Heidemann, interessiert an jenen, die sich in der Erbfolge des Dadaismus wähnten oder sich in der Fluxus-Bewegung sammelten, führte mit solcherart künstlerischen Vorlieben in der DDR ein Schattendasein. Mit Gleich gesinn ten stand er in regem Kontakt und schrieb sich mit zahlreichen hintersinnigen Briefbotschaften in die Verteiler der Mailart-Szene ein, die von Ostberlin über Prag bis Moskau weit verzweigt und solidarisch organisiert war. Diesen Austausch, einen Dialog aus Anklängen und Versatzstücken, pflegt Heidemann bis heute. Noch immer versendet er seine Briefbotschaften in alle Himmelsrichtungen und irritiert mit diesen „Störsendungen” nicht nur den Postvertrieb, sondern auch manchen Empfänger. Hierin ist Heidemann seinen Anfängen treu geblieben: Er betrachtet den Raum der Kunst als ein Podium für Diskurse, wo man zu Rede und Widerrede animiert und verführt werden soll. Dabei geht es ihm immer auch um Jene, die der Kunst fern sind und einbezogen werden sollen.