Kunstmuseum Gelsenkirchen

Meist sind Titel eine kurze Beschreibung des Bildes und bieten den Betrachtenden einen Anhaltspunkt für dessen Interpretation. Sie sind Metadaten, die den Diskurs des Bildes bestimmen. Die Weigerung einer Künstlerin oder eines Künstlers, einem Werk einen Titel zu geben, setzt in der Mitte des 20. Jahrhunderts ein. Diese Nicht-Betitelung ist jedoch nicht grundlos, vielmehr verweigern Künstlerinnen und Künstler damit ein Anknüpfen an alte Traditionen und eine bestimmte Interpretationsrichtung. Sie möchten ihren Werken keine Bedeutung auferlegen. Die Betrachtenden werden somit aufgefordert, eigene Assoziationen und Zusammenhänge aufzurufen und neu über Kunst nachzudenken.
Mit dieser künstlerischen Strategie werden also Leerstellen statt Eindeutigkeiten geschaffen, die vor allem vorschnellen Einordnungen verweigern. Das Werk an sich rückt somit in den Fokus der Betrachtung. Wahrnehmung und damit auch Interpretation wechseln mit jeder Betrachterin und jedem Betrachter. „Ohne Titel“ lässt zudem Raum für Fragen. Gleichzeitig fragen die Kunstschaffenden nach der Autonomie des Kunstwerks und verweigern sich einem Bedeutungskontext, der allzu oft von Institutionen und Märkten geschaffen wurde. Sie erobern das Kunstwerk nicht nur für die Betrachtenden, sondern auch für sich zurück.