13.05.2012 - 07.10.2012
Die Ausstellung, die erstmals in einer Einzelausstellung in der Schweiz das plastische und zeichnerische Werk Norbert Krickes (1922 – 1984) vorstellt, setzt die Werke eines der bedeutendsten Metallbildhauer der Moderne in einen Dialog mit der einzigartigen Architektur des Museums Liner, das 1997/98 von den Zürcher Architekten Annette Gigon und Mike Guyer für die Stiftung Liner errichtet wurde. Das Gespräch zwischen Architektur und Kunstwerk bereichert beide – wie auch die Betrachter oder Zuhörer.
Norbert Kricke, einer der bedeutendsten und radikalsten Plastiker der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, gehört heute zu den Klassikern der Moderne. Seine Formen-sprache, die das seit 1900 von den Künstlern entwickelte skulpturale und plastische Verständnis verdichtet, besser gesagt: „auf den Punkt beziehungsweise die Linie“ bringt, wird heute in mehrfacher Hinsicht als zukunftsweisend erkannt: Nicht nur als eine der Grundlagen der minimalistischen und konzeptuellen Plastiken der 1960er und 1970er, nicht ausschliesslich als eine der Möglichkeiten, formale, mithin auch mathematisch präzise Reduktion und existentiell-humanistische Aussage zu ver-einen, sondern als frühe, in gewisser Weise vorausnehmende Auseinandersetzung mit denkbaren, virtuellen, kybernetischen Räumen – mit dem, was wir heute Cyber-space nennen.
Norbert Kricke war bereits 1955 auf der wegweisenden, in der Kunsthalle Bern gezeigten Ausstellung Eisenplastik (neben Bernhard Luginbühl und Jean Tinguely) mit einigen Arbeiten vertreten; die Zürcher Kunsthistorikerin Carola Giedion-Welcker nahm Werke Kricke in ihr Standardwerk „Plastik des 20. Jahrhunderts“ auf. Sei 2000 zeigt die Stiftung Liner in ihren beiden Häusern in regelmässigen Abständen Ausstellungen zu wichtigen Positionen der modernen Plastik und Skulptur; so zu:
Hans Arp, Hans Josephsohn, Wilhelm Mundt oder Robert Schad. Dieser Ausstellungsschwerpunkt findet seine Begründung in der Struktur der Stiftungs-sammlung selbst, in der – dank der Leidenschaft der Mäzene Heinrich und Myriam Gebert für diese Kunstgattung – Werke der Plastiker Hans Arp, Alexander Calder, César, Eduardo Chillida, Hans Josephsohn, Markus Lüpertz, Fausto Melotti, Robert Müller, A. R. Penck, Erwin Rehmann, George Rickey oder Kerim Seiler und Susanne Windelen vertreten sind.
Das Museum Liner stellt den geeigneten Rahmen bereit, um die „materienlose Masse“ der Arbeiten Krickes im wörtlichen Sinne angemessen zu präsentieren. Denn trotz der selbstreferenziellen Qualitäten und intellektuellen Ver-weise interagieren Krickes Plastiken grundsätzlich mit konkreten Innen- oder Aussenräumen. Die relativ kleinen, aber dennoch in ihrer Neutralität sehr offenen Räume des Museum Liner geben im Zusammenklang mit den viel-gestaltigen Blick- und Lichtsituationen den Werken Krickes einen architektonischen Widerstand, manchmal auch einen gebauten Widerhall. Die räumliche Valenz der Arbeiten Krickes wird mit allen Sinnen erfahrbar oder erlebt. Wenn Sie durch unsere Räume gehen, werden Sie an einem Werk teilnehmen, das bei aller Präzision, bei allem Form-kalkül sehr menschlich ist.