“Mein Bilderarchiv wuchs täglich, denn ich fotografierte viel”, schrieb Rudi Weissenstein, (1910 bis 1992) im Rückblick. Heute, 20 Jahre nach seinem Tod, sind längst nicht alle seiner Aufnahmen gesichtet: Mit über einer Million Negativen hat er das größte private Bildarchiv Israels geschaffen, das visuelle Gedächtnis seines Landes.
Vom 11. November bis 20. Dezember 2012 präsentiert das Kunsthaus Wiesbaden einen künstlerischen und dokumentarischen Ausschnitt aus dem umfassenden Werk, mit dem Weissenstein zu einem der bedeutendsten Chronisten Israels wurde. Eine 20-minütige Filmdokumentation von Jutta Louise Oechler ergänzt die Ausstellung und skizziert ein persönliches Lebensbild.
Shimon Rudolph Weissenstein wurde 1910 in Iglau/Jihlava in der heutigen Tschechischen Republik geboren und studierte an der Wiener Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt. Mit einer Kamera, seinem Presseausweis und zehn Lira im Gepäck, reiste er 1936 nach Palästina aus, wo er als freier Fotojournalist für Zeitungen und die Presse im Ausland arbeitete. Entsprechend vielseitig war die Motivauswahl: Vorwiegend zwischen den 1930-er und 1970-er Jahren entstanden, zeichnen Weissensteins Fotografien ein facettenreiches Israel während der Aufbaujahre. Auf Reisen durch das Land dokumentierte er die Ankunft jüdischer Einwanderer, den Bau neuer Siedlungen und Industrien, die Kollektive in den Kibbuzim, arabische Beduinen wie auch Militärparaden, Kulturevents und Szenen aus dem Alltag. Darüber hinaus begleitete Weissenstein über 40 Jahre die Arbeit des Israel Philharmonic Orchestra und war zeitweise für die Vereinten Nationen tätig.
Rudi Weissenstein gründete 1940 das Photo House Pri-Or in Tel Aviv, wo sein Archiv heute noch besichtigt werden kann. Seine ersten Kunden waren englische, australische und kanadische Soldaten. Es folgten Persönlichkeiten, die später zu den führenden Köpfen Israels zählten: Golda Meir, Menachem Begin, Yitzhak Rabin, Shimon Peres und viele andere. Bekannt wurde Weissenstein durch seine Aufnahme von der Ausrufung des Staates Israel im Mai 1948, bei der er der einzig offiziell zugelassene Fotograf war. Seine Aufnahme von David Ben-Gurion bei der Verlesung der Unabhängigkeitserklärung ging um die Welt.