21.02.2010 - 24.05.2010
Geht man zurück zu den Wurzeln, landet man dort, wo die Sammlung von Arnd und Erika Siegel – mit heute über 80 Werken der bedeutenden Künstler der klassischen Moderne – nun erstmals öffentlich zu sehen ist: in Stade. Hier stand die Wiege von Arnd Siegel, Sohn eines kulturbegeisterten Chirurgen, dessen Familie über mehrere Generationen die Klavierfabrik Siegel betrieb.
Ernst Ludwig Kirchner: Liegende Katze, um 1924 © SiegelAber vor allem zeigt das erste Bild, in dessen ständiger Gegenwart das junge Ärztepaar Siegel lebte, die »Alte Inselbrücke« in Stade. Das um 1910 entstandene Pastell, ein Erbstück aus dem Familienbesitz, ist das einzige Bild der Sammlung von einem unbekannten Künstler. Große Namen kamen im Laufe der letzten 30 Jahre hinzu: von Emil Nolde, Edvard Munch und Pablo Picasso über Ernst Ludwig Kirchner, Karl Schmidt-Rottluff, Max Pechstein bis hin zu Willi Baumeister und Horst Janssen.
Karl Schmidt-Rottluff: Drei am Tisch, 1914 © VG Bild-Kunst, Bonn 2010Das erste Bild kaufte das Ehepaar Siegel 1972, ein kleines, expressives Ölgemälde des uruguayischen Künstlers Solari, das sie in Montevideo entdeckt hatten. Zur Passion wurde das Sammeln allerdings erst ein Jahrzehnt später. Leiten ließen sich die Sammler ausschließlich von ihren Vorlieben, ohne einer festgelegten Systematik zu folgen. Arnd und Erika Siegel, stets begleitet durch den Kunsthistoriker Roland I. Pramor, kauften die Bilder, um mit ihnen zu leben. Sie wählten sie für die tägliche Begegnung aus, für das Zwiegespräch.
Der Mensch im Mittelpunkt – das galt für Arnd und Erika Siegel nicht nur in ihrem Berufsleben als Ärzte, sondern er findet sich auch als Credo ihres Kunstverständnisses. In diesem Kontext variieren Motive und Themenschwerpunkte der Lithographien, Holzschnitte, Radierungen, Zeichnungen, Aquarelle und Ölbilder. Darunter finden sich Kinderbildnisse und Portraits, Badende und Tanzende, Bilder von Menschen bei der Arbeit, im Café oder im Varieté, im Dickicht der Großstädte oder in Eintracht mit der Natur.
Ernst Ludwig Kirchner: Mit Schilf werfende Badende an den Moritzburger Seen © SiegelKurator der Ausstellung in Stade ist Prof. Heinz Spielmann, ehemaliger Direktor des Schleswig-Holsteinischen Landesmuseums Schloss Gottorf sowie Begründer des Bucerius Kunstforums Hamburg. Die Ausstellung folgt einer kunsthistorischen Ordnung, die von den Sammlern ursprünglich nicht intendiert war. Sie beginnt mit Impulsgebern der klassischen Moderne wie Emil Nolde, zeigt inhaltliche Schwerpunkte wie »Die Brücke«, »Der Blaue Reiter« sowie Vertreter des Konstruktivismus, des Surrealismus, des »Bauhaus« oder der Abstraktion. Heute kann diese sehr persönliche Sammlung wie ein Wegweiser durch die klassische Moderne betrachtet werden. Sie lädt ein zu einem Spaziergang durch 60 Jahre Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts und erzählt zugleich die Geschichte einer außergewöhnlichen Sammel- und Kunstleidenschaft.