18.07.2010 - 03.10.2010
Cosima von Bonin zählt zu den bekanntesten Künstlerinnen ihrer Generation. Vor allem seit der Teilnahme an der letzten documenta, bei der eine große Anzahl ihrer Werke über den gesamten Parcours der Schau verteilt war, hat sie den Status als Geheimtipp und sogenannte »Künstler-Künstlerin« verloren. Trotzdem fällt es nicht leicht, ihre Vorgehensweise einzuordnen. Auch wenn sich bei manchen ihrer Arbeiten Bezüge zur historischen Konzeptkunst und Minimal Art feststellen lassen oder sie von einigen Kritikerinnen gern als Beispiel für eine feministische Künstlerin zitiert wird, entzieht sich das Werk einer eindeutigen Benennung.
Erste Aufmerksamkeit erhielt sie Anfang der 1990er Jahre, als sie in ihrer New Yorker Einzelausstellung, anstatt eigene Arbeiten zu zeigen, andere Kulturproduzenten wie Kunstkritiker, Musiker und Künstler einlud, ihre Fotos, Bilder oder performativen Beiträge vorzustellen. Mit ihrer Infragestellung der Autorenfunktion, die vor allem in den frühen partizipatorischen Gesten deutlich zum Ausdruck kam, hat sie sich manchmal bewusst, manchmal unbewusst gegen die Vereinnahmung durch das Kunstsystem gerichtet. Wenn sie heute mit Leinwandbildern aus vorgefundenen Stoffen und Tüchern beziehungsweise großen Stoffpilzen und -tieren in einer Art Überaffirmation dieses beherrscht oder sich ihm wahlweise ausliefert, so ist dies immer mit der Haltung verbunden, dass jede Arbeit die letzte sein und sie sich als Künstlerin jederzeit zurückziehen könnte. Ihre Titel Relax – ItÂ’s only a Ghost oder Roger and Out umschreiben diese widersprüchliche Stärke auf humorvoll melancholische Weise.
Auch der Titel ihrer Ausstellung für das Kunsthaus Bregenz, »THE FATIGUE EMPIRE «, könnte so verstanden werden; gerade so, als wollte sie den Erwartungen, die mit einer großen Einzelausstellung in einer renommierten Ausstellungsinstitution verbunden sind, von vornherein den Wind aus den Segeln nehmen. Umso überraschender ist die Vielzahl der eigens für Bregenz entstandenen Arbeiten, die das differenzierte Repertoire Cosima von Bonins – bei ihren großen Leinwandbildern angefangen, über Stoffskulpturen und ver fremdete Nachbauten bis hin zu raumgreifenden Installationen – in ungewöhnlich epischer Dichte ausbreitet. Die drei Stockwerke des KUB werden dabei zur Bühne, auf der die Stoff- und Holzfiguren wie Akteure anmuten – eine Stimmung, die noch durch Soundtracks verstärkt wird, die Moritz von Oswald speziell für Cosima von Bonin komponiert hat und die an einigen Stellen in den Räumen des KUB zu hören sind.
Ähnlich wie bei früheren Anlässen hat sich Cosima von Bonin auch für ihre Präsentation in Bregenz Verstärkung geholt. Moritz von Oswald und sein Trio werden im Rahmen des Begleitprogramms ein Konzert geben, und zur Eröffnung der Ausstellung wird die »Produzentin« aus Toronto eine performative Darbietung aufführen. Als gewissermaßen lokale beziehungsweise österreichische Unterstützung wird das KUB auf Wunsch von Cosima von Bonin eine Filmreihe zu Thomas Bernhard zeigen. Mit ihm teilt sie nicht nur die Vorliebe für ausgedehnte Spaziergänge in der Natur, sondern auch und vor allem den kritischen und psychologisch aufgeladenen Blick auf das eigene (Kunst-)System.
Wer allerdings glaubt, dem Werk Cosima von Bonins durch Verweise auf andere Kulturproduzenten wirklich näher zu kommen, wird in der Bregenzer Ausstellung erleben, dass diese – wenn überhaupt – lediglich eine Facette ihres Schaffens konstituieren. Die spezifische Auswahl der in Größe und Material verfremdeten Alltagsobjekte und ihre emotionalen und kulturellen Konnotationen spielen für die Rezeption ihrer Arbeiten eine ebenso entscheidende Rolle wie deren formale Gestaltung, ihre Proportionen und Farbkombinationen. Und wenn Cosima von Bonin einen Raum des Kunsthauses mit seinen besonderen formalen und bedeutungsvollen Charakteristika in leicht verkleinertem Maßstab nachbaut oder ein vor Männlichkeit strotzendes Auto mit weiß-rot karierten, in Vorarlberg hergestellten Stoffen ummantelt und auf diese Weise verweichlicht, dann tun sich hier Welten auf, die gleichermaßen soziale, kulturelle, aber auch werkimmanente Lesarten provozieren.
Dass dieses »Empire« ermüdet, lässt sich selbst beim Anblick der demonstrativ zur Schau gestellten Erschöpfung einiger seiner Bewohner nicht wirklich glauben. Vielmehr belegt die bis heute für Cosima von Bonin umfangreichste Präsentation neuer Werke die Stärke einer Künstlerin, die bei allem Selbstzweifel genau weiß, was sie will.