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Kunsthalle Würth


Lange Straße 35
74523 Schwäbisch Hall
Tel.: 0791 94 6720
Homepage

Öffnungszeiten:

Di-So 11.00-18.00 Uhr

Georg Baselitz: TOP

27.09.2008 - 22.03.2009
Mit einer großen Werkschau von Georg Baselitz würdigt die Kunsthalle Würth einen der bedeutendsten Erneuerer auf dem Gebiet der zeitgenössischen Malerei seit 1960. Rund 100 seiner auf- und anregenden Arbeiten aus vier Jahrzehnten, für deren Auswahl der Künstler selbst verantwortlich zeichnet, sind zu sehen. Baselitz, der 1938 als Georg Kern in Deutschbaselitz (Oberlausitz) geboren wurde und nach Reibereien im Kunststudium im Alter von 20 Jahren die DDR Richtung Westberlin verließ, hatte früh seinen eigenen künstlerischen Weg entdeckt. Er wollte weder den leeren Pathos, der durch NS-„Kunst“ und Ost-Malerei verunglimpften Realismus am Leben erhalten, noch sich einer aus den USA von der Westkunst bedingungslos übernommenen Abstraktion anbiedern. Stattdessen schuf er kraftvolle Gemälde, mit denen er die Kunstwelt auf den Kopf stellte. Monumentale Holzschnitte, ein spektakuläres grafisches Werk und seit 1980 auch kantig gesägte und farbig gemalte Skulpturen zählen ebenfalls zu seinem viel beachteten Schaffen. Nach anfänglichen Missverständnissen und Schmähungen werden seine Werke mittlerweile weltweit in bedeutenden Ausstellungen gewürdigt. Von Anbeginn seiner künstlerischen Laufbahn hat Baselitz sein „Maler-Sein“ als Kampfansage an tradierte Sehgewohnheiten verstanden. Versuchte er zunächst noch überkommene Bildinhalte zu erneuern, so revolutionierte er schon bald darauf, mit der Radikalität des Kubismus vergleichbar, auch die formalen Aspekte der Gegenständlichkeit des Bildwerkes. Ohne das Motiv je aufzugeben, gelingt es ihm seit Jahrzehnten die Geläufigkeit des Sehens und Erkennens zu unterwandern und es in neue Sehbedingungen zu überführen, um auf diese Weise der Malerei selbst zu einer neuen Qualität, aber auch zu einer neuen Qualität des Gesehenwerdens zu verhelfen. Sein wohl berühmtester Schachzug, in seinem Streben die Malerei von erstarrten Formen und vom Bildinhalt zu befreien, gelang ihm 1969, als er die Bildmotive auf den Kopf stellte. Aber auch vierzig Jahre später stellen seine scheinbar klar ablesbaren, in ihrer Verflechtung jedoch stets mehrdeutigen „Fakten“ unsere gewohnten Assoziationen in Frage und zwingen uns über Identität und Bedeutung von Darstellung und Wirklichkeit und deren Zusammenhang nachzudenken. Jüngstes Beispiel ist die Auseinandersetzung mit den, im Werk von Piet Mondrian versteckten, Swastika-Zeichen. Swastika, ein ursprünglich aus dem Sanskrit stammender Begriff der dort „Glücksbringer“ bedeutet, bezeichnet ein Kreuzsymbol mit winkeligen oder gebogenen Enden. In Form eines auf der Spitze stehenden Hakenkreuzes wurde der Symbolgehalt des Kreuzes unter den Nationalsozialisten missbraucht und die ursprüngliche Bedeutung überlagert. Baselitz rückt diese Dinge gewissermaßen wieder ins Lot. Seine Swastika orientieren sich wieder am Uhrzeigersinn, und treten nun in den Dialog mit seinen eigenen Bildmotiven der sechziger Jahre. Etwa dem Zerrupften Heimkehrer aus der Heldenbild-Serie, dem Modernen Maler oder der legendären Großen Nacht im Eimer. Die scheinbar verkohlten Extremitäten der über die Darstellungen gelegten Swastika-Symbole laufen in den von Mondrian favorisierten Grundfarben Gelb, Rot und Blau aus. Das düstere, politische Herrschaftssymbol gerinnt gewissermaßen zur bloßen Form. Dafür sind ihm nun Farbigkeit und Freiheit der modernen Malerei als Ausweg zur Seite gestellt. Doch nicht nur die Mondrian Werkreihe, auch andere Arbeiten bezeugen BaselitzÂ’ intensive Auseinandersetzung mit kunsthistorischen Traditionen, die sich etwa an Suiten zu Caspar David Friedrich, Edvard Munch, und Jasper Johns ablesen lassen. Gleiches gilt für die Druckgrafik, die Baselitz weder begleitend noch illustrativ, sondern als eigenständige künstlerische Ausdrucksform in sein Werk integriert. Mittels technischer Experimentierfreude und formaler Innovationskraft schreibt er auch die Tradition dieser Gattung fort. Monumentale, ungeschönte und roh behauene Lindenholzskulpturen sowie davon abgenommene, farbig gefasste Bronzen, die offen ihre Bearbeitungsspuren zeigen, ergänzen weiterhin das Werk und die Ausstellung, die neben zahlreichen internationalen Leihgaben auch erstmals den kompletten, 48 Werke umfassenden Bestand der Sammlung Würth zugänglich machen wird.

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