08.07.2012 - 02.09.2012
Xiaosong war im Sommer 2011 Teilnehmer der Biennale von Venedig und zeigte dort außerhalb der offiziellen chinesischen Ausstellung die systemkritische Arbeit Making Life (Das Schaffen des Lebens). Diese Präsentation wurde zusammen mit zwölf anderen Kollegen als Gegenveranstaltung zu den offiziellen, vom chinesischen Staat gezeigten Künstlern unter dem aufschlußreichen Titel Cracked Culture (Rissige oder Zersprungene Kultur) in dem heute als Schule dienenden Convento dello Santo Spirito realisiert. Über diese eindrucksvolle Arbeit berichteten „Der Spiegel“, das „Kunstforum International“ und das ZDF. Auch wurde der Künstler von diesen drei Medien hierzu interviewt.
In seinen Bildern, die aufgrund ihrer Kastenform eher als Objekte, denn als Gemälde zu verstehen sind, setzt sich Xiaosong mit dem Thema der Menschmassen und den von diesen ausgehenden künftigen Bedrohungen für den heutigen chinesischen Staat und dessen Gesellschaft auseinander.
Xiaosongs Bilder sind in der Regel im Wesentlichen monochrom und zeigen leuchtend-strahlende Farben, die von Gelb über Rot, Grün und Blau bis zu einem intensiven Lila reichen können. In den neuesten Werken wird diese allerdings durch Zweit- oder Drittfarben modifiziert, wobei aber immer eine dominante Hauptfarbe bestehen bleibt.
Von Weitem wirkt die monochrome Farbe als etwas vollkommen Einheitliches. Je nach Farbton werden Assoziationen an Feuer, Sonne, Wasser oder Blumenfelder ausgelöst. Dabei scheint allen Arbeiten zugleich auch ein stark meditativer Charakter zu eigen zu sein. Die Farbe in Ihrer Wahrnehmung als Licht und als Stimmungserzeuger, aber auch als dreidimensionaler Wirkungsträger mit ihren jeweiligen Charaktereigenschaften scheint hier der alleinige Inhalt zu sein.
Dazu im Kontrast stehen dann die unzähligen durcheinanderwirbelnden Menschenleiber, die mit ihren kleinen Körpern die mitunter hochreliefartigen und unregelmäßig-dynamischen Oberflächenstrukturen bilden. Diese Bilddynamik setzt sich selbst auch noch dadurch für den aufmerksamen Betrachter fort, daß sich der Charakter des Gesamtbildes durch den tageszeitlich bedingten Lichtwechsel zum Teil erheblich verändert. Hervorgerufen wird eine solche Wirkung durch die hier in großen Mengen aufgetragene, überaus kostbare glänzende Ölfarbe, die von Xiaosong über viele Arbeitstage in unzähligen Schichten und sehr pastos aufgetragen wird. Nur sie erlaubt die hier wahrzunehmenden starken Lichtreflektionen und erzeugt in allen Werken die Dynamik und bildimmanente Spannung.
Daher ist die Farbe bei Xiaosong nicht nur ein optisches Medium, daß durch verschiedene Farbgebungen unterschiedliche Stimmungen zu erzeugen vermag, sondern zugleich auch ein haptisches. Die Farbe selbst als gestaltetes und das Bild in seiner Gesamtheit gestaltendes Relief wird materiell und stofflich.
Die Arbeiten, die in Lübeck und anschließend in einer umfangreichen Tournee in Koblenz, Wien, Shanghai und Peking gezeigt werden, wurden eigens hierfür gemalt.
In künstlerischen Weise verdeutlicht Xiaosong Spannungen innerhalb der chinesischen Gesellschaft, indem er in seinen Bilden grundsätzliche Probleme und Bedrohungen visualisiert, deren Gültigkeit weit über das Gegenwärtige in die Zukunft hinausreichen und damit zeitlos sind, weil diese Bildobjekte generelle und allgemeinmenschliche Phänomene beschreiben.
Neben seinen Gemälden werden in der Kunsthalle St. Annen zwei Videoarbeiten präsentiert.
Xiaosong studierte sowohl in China, wo er die traditionelle chinesische Kalligraphie erlernte, als auch in Berlin, wo er der westlichen Kunst begegnete. In Xiaosongs Arbeiten fließen daher die beiden großen Traditionen der chinesischen als auch der westlichen Kunst zusammen und bilden eine interessante Symbiose.