Im Rahmen der Doppelausstellung "CC: Classic Contemporary" ist erstmals eine umfangreiche Auswahl bisheriger fotografischer Serien von Julian Röder zu sehen, denen ausgewählte Arbeiten von Robert Capa gegenüber beziehungsweise nebenan gestellt sind. Capas Werke können Dank der Leihgaben aus dem Museum Ludwig in Köln sowie dem Museum Folkwang in Essen nun in der Kunsthalle Erfurt gezeigt werden. Thematische Schwerpunkte wie "gesellschaftspolitische Transformationsprozesse", "ökonomische Machtstrategien" und "Konflikt und Krieg" als deren Katalysatoren oder Folgen bilden den Ansatz für die Zusammenschau der beiden Fotografen und ihrer Arbeiten. Jedoch meint "Konflikt" sowohl bei Röder als auch bei Capa nicht nur physisch-handgreifliche oder gar militärische Auseinandersetzung, sondern viel früher beginnende Spannungen im menschlichen Dasein und Miteinander.
Julian Röders Fotografien können für das stehen, was Walker Evans einst "documentary style" nannte. Sie sind nicht im klassischen Sinne inszeniert, aber natürlich auch keine Schnappschüsse, die zufällig oder nebenbei entstanden wären. Vielmehr wirken sie durchaus malerisch und wie "mit dem Sucher" komponiert.
Röder interessiert sich besonders für historisch-politisch bedingte gesellschaftliche Veränderungen und Umwälzungen beziehungsweise für deren "reale" Sichtbarkeit, was wohl auch mit seiner Biografie zusammenhängt. Dem 1981 in Erfurt geborenen Fotografen gelingt es, über den deutschen Ost-West-Konflikt hinaus weltweit Transformationsprozesse zu dokumentieren, die nicht zuletzt durch die Globalisierung ökonomischer Machtansprüche hervorgerufen oder verstärkt wurden. In Röders Farbaufnahmen erscheinen mittlerweile zu leeren Begriffen verkommene Phänomene der Post-Postmoderne einerseits sehr konkret. Andererseits bedienen und irritieren diese Bilder aber immer auch die Sehgewohnheiten und Sichtweisen des Betrachters, weil sie hinsichtlich ihrer Ästhetik zwischen historischen Schlachtenmalereien, Werbeaufnahmen und bildjournalistischen Reportagefotografien changieren und entsprechende Strategien auch bewusst persiflieren.
Das mag Röders zeitgeschichtliche und damit gegenwärtigere Arbeiten vielleicht künstlerischer erscheinen lassen, als die vor allem für (Kriegs-) Reportage und Propaganda stehenden Ikonen von Endre Ernö Friedmann (1913-1954). Doch nicht nur dessen "amerikanisches" Pseudonym Robert Capa machten ihn zur Legende. Retrospektiv sind es das Wissen um die Biografie wie auch die physische Erscheinung, welche nicht nur den Fotografen und Magnum Mitbegründer selbst, sondern bisweilen auch dessen Aufnahmen charismatisch erscheinen lassen. Letztere spiegeln Capas bewegtes Leben, sein politisch motiviertes "Draufgänger- und eben auch Draufhaltertum". Seine nunmehr auratischen Schwarz-Weiß-Bilder belegen die sprichwörtlich gewordene Nähe des Fotografen zum Bildgeschehen.