27.01.2008 - 09.03.2008
Spätestens seit der verstärkten Romantik-Rezeption in den 1970er Jahren gilt als ausgemacht, dass „Landschaft“ nicht etwa ein Stück Natur meint, sondern immer schon unser Bild vom Natürlichen aus dem Blickwinkel menschlicher Interessen. Gemalte Landschaften etablierten im arkadischen oder paradiesischen Ideal eine soziale Utopie oder im romantisch-erhabenen Sujet ein Gegenbild zur jeweiligen kulturellen Wirklichkeit der Menschen. Als reales Pendant zum Kulturraum wird Landschaft zu einem Gegenstand menschlicher Ordnungsbemühungen in Gestalt ihrer planmäßigen Formung. Diese Erfahrungen bilden den Hintergrund der fotografischen Arbeit des 1964 geborenen Michael Reisch. Seit Mitte der 90er Jahre arbeitet der Becher-Schüler an zwei Werkgruppen, wobei er zunächst Industriekomplexe, Wohnbauten der Nachkriegsmoderne und Landschaften mit einer Großbildkamera detailgenau ins Bild setzt, diese Vorlagen jedoch digitalisiert und am Computer bearbeitet. In diesem Prozess reduziert er die vorgefundene sichtbare Welt auf Landschaften, aus denen alle Anzeichen menschlicher Verrichtungen, alles Prozesshafte, Narrative und Chaotisch-Instabile getilgt ist. Er enthebt die Motive ihrer konkreten raumzeitlichen Vorortung, nivelliert alle scheinbar nebensächlichen Differenzierungen und isoliert sie auf ihre skulpturale, raumbildende Qualität und auf ein einheitliches farbiges Erscheinungsbild, in dem das Grün und seine Ableitungen dominieren. Das Resultat sind modellierte Landschaften, die natürlich und künstlich zugleich wirken, in denen der Eindruck von Ruhe und Geordnetheit latent in den von Leblosigkeit und Anonymität umschlagen kann. Das menschlich optimierte Naturschöne erweist sich darin als ambivalent bzw. – wie der Künstler selbst formuliert – als schwankend „zwischen Paradies und Gentechnik-Alptraum“.