22.07.2010 - 29.08.2010
Obwohl die Fotografie als statisches Bildmedium gilt, haben Fotografen immer wieder versucht, Elemente der Bewegung in ihre Kunst zu integrieren – wie in der sog. Chronofotografie im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts oder in der futuristisch inspirierten Fotografie der 1920er Jahre. Darüber hinaus verband sich die Fotografie seit den 1960er Jahren auch eng mit performativen Kunstformen – zum einen, um öffentliche Performances oder ephemere Projekte anderer Künstler zu dokumentieren (wie bei Joseph Beuys oder Christo & Jean Claude), zum anderen, um eigene performative Projekte in fotografische Serien zu übersetzen (wie bei Jürgen Klauke, Dieter Appelt oder Rudolf Schwarzkogler). In dieser Tradition entwickelt auch Chris Kremberg (*1971) ihre eigene szenografisch-fotografische Arbeit. Seit mehreren Jahren arbeitet sie eng mit Tänzern zusammen, studiert Bewegungsabläufe, Körperhaltung, Atmung etc., um sie in choreografierte fotografische Bilder zu übersetzen. Dabei spielt der menschliche Körper als Hülle subjektiver Innerlichkeit und seine sensitive, osmotische Interaktion mit der Umwelt eine wichtige Rolle. Nicht selten agieren die Tänzer in Kostümen, welche die Künstlerin entworfen hat. Für das neue Projekt „Nackt/ Pur“ entwirft Chris Kremberg mit den Darstellern bzw. Tänzern Haltungen, die das Verhältnis des Einzelnen zum urbanen Außenraum von Großstädten thematisieren. Diese aus ihrer Sicht unwirtlichen, transitorischen Räume, tagsüber stark frequentiert, nachts leer, werden von den Darstellern markiert, besetzt, belebt – symbolisch angeeignet. Gehemmt wird die individuelle Bewegungsfreiheit der Agierenden jedoch durch enge Verhüllungen. Die formalen Spannungen zwischen Körper und Raum/ Architektur, organischer und unbelebter Dinglichkeit, Bewegung und Hemmung des Bewegungsdrangs bilden die Grundlage einer fotografischen Deutung, die das Verhältnis des Individuums zur gebauten Umwelt der großen modernen Städte als ein prekäres beschreibt.