Unter dem Titel «Einfühlung und Abstraktion. Die Moderne der Frauen in Deutschland» präsentiert die Kunsthalle Bielefeld malerische Werke von Künstlerinnen seit Ende des 19. Jahrhunderts bis in die 1930er Jahre und führt in ausgewählten Positionen bis zur Malerei der Gegenwart. Die Ausstellung zeigt den überaus reichen Beitrag der Frauen zur künstlerischen Entwicklung der vergangenen ca. 120 Jahre in Deutschland, mit dem Blick auf den immer noch erst zu entdeckenden weiblichen Teil der Kunstgeschichte. Anders als beim männlichen Künstler, dem die akademische Ausbildung selbstverständlich offensteht, beginnt der Weg einer begabten Künstlerin um 1900 mit dem Ringen um den Freiraum zu einer selbstständigen künstlerischen Tätigkeit, um Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten. Während das gesellschaftliche Selbstverständnis noch dem bescheidensten künstlerischen „Genie“ eines Mannes Respekt und Anerkennung zollt, müssen Künstlerinnen gegen Ignoranz, Unverständnis, gesellschaftliche Ablehnung und Familienpflichten allererst ihre Professionalität erringen.
Doch allen Widrigkeiten zum Trotz ist die Liste der Künstlerinnen, die in Deutschland der Kunst den Weg in die Moderne gewiesen haben, lang. Sie weist berühmte Namen auf, von Käthe Kollwitz und Paula Modersohn-Becker über Gabriele Münter zu Ida Kerkovius, Hannah Höch, Meret Oppenheim, neben vielen anderen. Sie repräsentieren heute die Kunst der deutschen Moderne so selbstverständlich wie ihre männlichen Kollegen. Noch länger aber ist die Liste derjenigen Mitstreiterinnen, deren Namen kaum mehr bekannt und deren Werke mehr oder weniger in Vergessenheit geraten, verschollen oder zerstört sind. Die Ausstellung stellt in ihrer Auswahl kaum oder nur noch wenig bekannte Positionen wie Dorothea Maetzel-Johannsen, Dodo (Dörte Clara Wolff) und Maria Caspar-Filser neben die oben genannten und zeigt damit, wie viel es auch im Bereich der Klassischen Moderne noch zu entdecken gibt.
Wenn man an die Kunst von Frauen in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg denkt, so sind dies in der Regel Künstlerinnen, die seit den 1970er-Jahren mit Fotografie, Film, Video-, Performance-, Objekt- und Installationskunst arbeiteten, aber nicht mit Malerei. Allgemein gilt Malerei ab den 1960er-Jahren in Westdeutschland, auch unter dem Einfluss von Malerei-fernen Kunstströmungen aus den USA (Minimal Art, Pop Art, Concept Art), als an ihr historisches Ende gekommen. Zudem war Malerei, anders als Video und Performance-Kunst, für feministisch gesinnte Künstlerinnen nicht das provokante Medium, um dem männlich dominierten Kunstbetrieb entgegenzutreten. Die Kunsthalle Bielefeld zeigt im ersten Obergeschoss anhand von ausgewählten Beispielen von Meret Oppenheim, Maria Lassnig, Christa Näher, Leiko Ikemura, Karin Kneffel und Sophie von Hellermann, dass auch Malerinnen einen bemerkenswerten Beitrag zur Kunst der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts leisteten. Wie ihre künstlerischen Vorgängerinnen der Klassischen Moderne wurden auch diese Malerinnen teils lange übersehen. Unbeirrt folgten sie ihrer Profession im Malerei-fernen Kunstkontext der Zeit und stellen heute wichtige Positionen zeitgenössischer Kunst in Deutschland dar.